Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
wuchtigen Stuhl hervor, ein hochgewachsener junger Mann mit den gleichen falkenartigen Gesichtszügen, wie sie die übrigen Landeskinder hatten. Von der Taille aufwärts war er unbekleidet bis auf einen langen Federumhang, ein Halsband mit Perlen und scharfen Zähnen und eine goldene, mit blauen Steinen besetzte hohe Krone.
    »Normalerweise bin ich von Lakaien umgeben – ›zahllos wie Sandkörner‹, wie die Priester sagen, und sie haben beinahe recht.« Sein akzentgefärbtes Englisch hatte einen weichen Ton, aber hinter den kalten Augen saß unverkennbar eine scharfe, harte Intelligenz: Wenn dieser Mann etwas haben wollte, würde er es bekommen. Er war zudem zweifellos viel älter, als er aussah. »Aber es werden noch etliche andere Gäste erwartet, deshalb brauchen wir den Platz – und überhaupt hielt ich es für das Beste, wenn wir unser Gespräch ungestört führen.« Ein eisiges Lächeln erschien. »Die Priester wären wie vom Donner gerührt, wenn sie wüßten, daß der Gottkönig mit Fremden allein ist.«
    »Wer … wer bist du?« Renie bemühte sich um eine ruhige Stimme, aber das Wissen, daß sie einem ihrer Verfolger gegenüberstand, machte es ihr unmöglich.
    »Der Gottkönig dieses Landes, wie schon gesagt. Der Herr über Leben und Tod. Aber vielleicht ist es euch angenehmer, wenn ich mich mit meinem richtigen Namen vorstelle – immerhin seid ihr meine Gäste.
    Ich heiße Bolívar Atasco.«

Kapitel
Schmetterling und Kaiser
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Flüchtlingslager wird unabhängiger Staat
    (Flüchtlingsstadt am Strand von Mérida)
    Off-Stimme: Das mexikanische Flüchtlingslager, das von seinen Insassen »die Endstation« genannt wird, ist von den Vereinten Nationen zu einem eigenen Land erklärt worden. Merida, eine mittlere Großstadt an der Nordspitze der mexikanischen Halbinsel Yucatán, ist wegen einer Reihe verheerender Stürme an der Küste und der politischen Instabilität in Honduras, Guatemala und Nordostmexiko auf vier Millionen Einwohner angeschwollen.
    (Bild: UN-Laster bei der Fahrt durch eine aufgeputschte Menschenmenge)
    Die dreieinhalb Millionen Flüchtlinge sind fast gänzlich ohne Behausung, und viele leiden an Tuberkulose, Typhus und Guantanamofieber. Durch die Erhebung Meridas zu einem eigenständigen Staat können die UN jetzt das Kriegsrecht verhängen und das neue Land unter ihre direkte Oberhoheit bringen …
     
     
    > »Dsang, Orlando, du hattest recht! Du hattest recht!« Fredericks sprang am Strand auf und ab, fast wahnsinnig vor Aufregung und Bestürzung. »Wo sind wir? Was ist passiert? Das ist sie! Du hattest recht!«
    Orlando spürte Sand unter den Händen, heiß und körnig und unbestreitbar. Er schöpfte eine Handvoll und ließ ihn durch die Finger rieseln. Der Sand war real. Alles war real. Und die Stadt, wilder und wunderbarer als irgend etwas aus einem Märchen, die goldene Stadt war ebenfalls real, wie sie sich da vor ihm fast bis zum Horizont erstreckte und mit ihrer Vielzahl von Türmen und Pyramiden, die so reich verziert waren wie russische Ostereier, nach dem Himmel zu greifen schien. Das Bild, das ihn verfolgt hatte, war jetzt nur wenige Meilen entfernt, nur ein Streifen blauer Ozean trennte ihn noch davon. Er saß an einem Strand, unzweifelhaft an einem Strand, und blickte auf seinen eigenen Traum.
    Und davor hatte er einen Albtraum durchlaufen. Diese Dunkelheit, und dann dieses Ding, dieses hungrige, gräßliche Ding …
    Aber es war nicht nur ein Traum. Dahinter stand etwas Reales – wie bei einer Marionettenaufführung. Es ist, als wollte ich etwas ergründen, was das Begriffsvermögen übersteigt…
    Es war aber nicht bloß der Albtraum, der ihm zu schaffen machte. Wo er auch sein mochte, er hatte die Krankheiten seines wirklichen Körpers nicht hinter sich gelassen. Er hatte die Stadt unmittelbar vor sich – die Das-gibt’s-nicht-Stadt, die Bloß-nicht-drauf-hoffen-Stadt –, und doch konnte er sich kaum dazu aufraffen, sie zur Notiz zu nehmen. Er schmolz dahin wie eine Kerze, gab zu viel Wärme ab. Ein großes heißes Etwas in seinem Innern fraß an seinen Gedanken, füllte ihm den Schädel und drückte hinter den Augen.
    Wo sind wir?
    Fredericks hampelte immer noch in kopfloser Euphorie herum. Als Orlando sich mühsam aufrappelte, erkannte er, daß der Fredericks, den er vor sich sah, den Körper von Pithlit hatte, dem Erzdieb aus Mittland.
    Das stimmt nicht, dachte er, aber konnte den Gedanken nicht weiterverfolgen. Als er aufstand, ging es ihm

Weitere Kostenlose Bücher