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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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seinem Kopf, die Nachwirkung des Drehs, war inzwischen fast völlig vergangen. Dread hatte plötzlich das Bedürfnis nach Musik und erzeugte eine donnernde, martialische Melodie. Er hatte etwas, was der Alte Mann nicht hatte, hielt es fest zwischen den Zähnen und würde es bis zum Jüngsten Tag nicht loslassen. »Wenn von den andern Teilnehmern der Konferenz, oder was es sonst war, welche in der Simulation bleiben, bleibst du auch. Verhalte dich schweigsam. Zeichne alles auf.« Er schmiedete bereits eifrig Pläne. Sobald er wußte, wo die Person hinter dem Sim lebte, würde er ihn oder sie überprüfen und sich vorknöpfen, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Er hatte jetzt einen Platz in der ersten Reihe – ach was, jubilierte er innerlich, eine Hauptrolle – bei einer mysteriösen Verschwörung, vor der der Alte Mann eine Heidenangst hatte. Außerdem schienen die Verschwörer viel mehr als er selbst darüber zu wissen, was der Alte Mann und seine Freunde im Schilde führten. Es war überhaupt nicht abzusehen, als wie wertvoll sich die kleine List letzten Endes erweisen würde.
    Meine Zeit ist endlich gekommen. Er lachte.
    Aber er mußte alles kristallklar haben, narrensicher. Selbst die tüchtige Frau Anwin konnte in diesem ganzen Durcheinander einen Fehler machen. »Hast du auch bestimmt alles verstanden?« fragte er sie. »Du läßt diesen Sim um jeden Preis weiteragieren, bis ich dich ablöse. Du bist diese Person. Und mach dir wegen der Überstunden keine Sorgen – es soll dein Schaden nicht sein, Dulcy Baby.« Er lachte wieder. Seine anfänglichen Vorstellungen von Dulcinea als Opfer waren von dem Gedanken an eine Jagd abgelöst worden, die gottvoller war als alles, was er vorher hätte ahnen können. »Mach dich dran. Ich komme, sobald ich diese Sache hier zu Ende gebracht habe.«
    Mit großen Schritten nahm er die Treppe und durchmaß die riesige Eingangshalle. Es gab Daten zu sichten, jede Menge Daten. Er mußte sich darum kümmern, bevor er sich weiter mit dem Sim beschäftigen konnte, mußte so viel davon durcharbeiten, wie er konnte, bevor sie an den Alten Mann und seine Bruderschaft gingen. Er wollte plötzlich sehr dringend wissen, was Atasco gemacht und was Atasco gewußt hatte. Das bedeutete noch einmal eine Nacht ohne Schlaf, aber das war es zweifellos wert.
    Am Fuß der Haupttreppe hockte die steinerne Statue eines Jaguars, klobig und expressionistisch, auf einem Sockel. Dread tätschelte sein fauchendes Maul, damit es ihm Glück brachte, und nahm sich noch vor, die Beseitigung von Celestinos Leiche auf die Aufgabenliste des Aufräumkommandos zu setzen.

Kapitel
Ein neuer Tag
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Krittapong USA verlangt mehr Sitze
    (Bild: das Capitol in Washington, Cm.)
    Off-Stimme: Krittapong Electronics, USA, droht damit, den US-Senat mit einem Filibuster lahmzulegen, wenn es keine stärkere Vertretung erhält.
    (Bild: Krittapong-PR-Chef Porfirio Vasques-Lowell auf einer Pressekonferenz)
    Vasques-Lowell: »Im Repräsentantenhaus richtet sich die Sitzeverteilung nach der Bevölkerungszahl, und die größten Bundesstaaten erhalten die meisten Sitze. Der Senat ist das Organ der Wirtschaft. Krittapongs Bruttowert hat sich in dem Jahrzehnt seit der Verabschiedung des Industrial Senate Amendment wenigstens verfünffacht, deshalb stehen uns auch mehr Sitze zu. Ganz einfach. Und wir würden auch gern einmal ein Wörtchen mit unseren Kollegen im britischen House of Enterprise reden.«
     
     
    > Die Merkwürdigkeiten nahmen kein Ende. Orlando, der sich zwischendurch einmal aufgerafft hatte, um den anderen die Situation begreiflich zu machen, konnte jetzt nur noch mit stierem Blick zusehen, wie der Wahnsinn im Raum eskalierte.
    Ihre Gastgeber waren verschwunden – die Atascos aus ihren virtuellen Körpern, Sellars ganz. Eine Frau gegenüber am Tisch gab ein anhaltendes Schmerzensgeheul von sich, das ebenso herzzerreißend wie furchterregend war. Einige der Gäste in ihren Sims saßen wie Orlando völlig sprachlos da. Andere schrien sich an wie Irrenhäusler.
    »Fredericks?« Er drehte seinen hämmernden Kopf und schaute nach seinem Freund. Die nächste Fieberwelle kroch an ihm hoch, und trotz des unglaublichen Chaos mußte er auf einmal gegen das zähe Ziehen des Schlafs ankämpfen. »Fredericks? Wo bist du?« Der wehleidige Ton seiner Stimme war ihm zuwider.
    Sein Freund tauchte hinter dem Tisch auf, die Hände über den Ohren. »Die ganze Chose dumpft ultra, Orlando. Wir müssen hier

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