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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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unserer Klasse, der eine Gehirnerschütterung hatte. Wird er sterben?«
    Renie zuckte vor der Unverblümtheit der Frage leicht zusammen. Sie brauchte einen Moment, bevor sie antworten konnte. »Ich glaube nicht, aber ich mache mir große Sorgen um ihn. Wir wissen nicht, was ihm fehlt. Deshalb wollte ich dir ein paar Fragen stellen. Kannst du mir etwas darüber erzählen, was du und Stephen und Eddie im Netz gemacht habt?«
    Überrascht von der Frage blickte Soki sie ein wenig befremdet an und ließ dann eine lange Beschreibung diverser erlaubter und halberlaubter Netboyschleichwege vom Stapel, hin und wieder begleitet von mißbilligenden Tönen seiner derweil unsichtbaren Mutter.
    »Aber was mich wirklich interessiert, Soki, ist das letzte Mal, kurz bevor du krank geworden bist. Als ihr drei in den Inneren Distrikt rein seid.«
    Er schaute sie verständnislos an. »In den Inneren Distrikt?«
    »Du weißt, was das ist.«
    »Na klar. Aber wir waren da nie drin, auch wenn wir’s versucht haben.«
    »Willst du damit sagen, ihr wärt nie in den Inneren Distrikt reingekommen?«
    Der Blick auf seinem jungen Gesicht versteinerte. »Hat Eddie das behauptet? Dann ist er ein Dupper – ein Megadupper!«
    Konsterniert stockte Renie kurz. »Soki, ich mußte selber reingehen und Eddie und Stephen rausholen. Sie sagten, du wärst auch dabei. Sie hatten Angst um dich, weil sie dich im Netz verloren hatten …«
    Soki erhob die Stimme. »Die duppen!«
    Renie war verwirrt. Verstellte er sich bloß, weil seine Mutter dabei war? Wenn ja, dann machte er das sehr überzeugend: Er wirkte aufrichtig empört. Oder hatten Eddie und Stephen gelogen, und Soki war gar nicht bei ihnen gewesen? Aber warum?
    Seine Mutter beugte sich vor den Bildschirm. »Das Gespräch mit dir regt ihn auf, Irene. Warum nennst du meinen Jungen einen Lügner?«
    Sie holte tief Luft. »Das tue ich nicht, Patricia, ich bin bloß verwirrt. Wenn er nicht bei ihnen war, warum hätten sie das dann erfinden sollen? Sie wären damit nicht aus dem Schneider gewesen – sein Netzverbot hatte Stephen sowieso schon weg.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was hier läuft, Soki. Bist du sicher, daß du dich gar nicht mehr erinnern kannst? Daß du im Inneren Distrikt warst, an einem Ort namens Mister J’s? Daß du durch eine Art Tür gefallen bist? Blaue Lichter …«
    »Ich bin da nie gewesen!« Er war wirklich wütend, wütend und verängstigt, aber er schien immer noch nicht zu lügen. Schweißtropfen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. »Türen, blaue Lichter… ich bin nie …!«
    »Das reicht, Irene!« sagte Patricia. »Es reicht!«
    Doch bevor Renie noch etwas erwidern konnte, warf Soki plötzlich den Kopf zurück und gab ein seltsames Gurgeln von sich. Seine Glieder wurden steif, und er begann am ganzen Leib heftig zu zittern. Seine Mutter packte ihn am Hemd, um ihn festzuhalten, aber konnte nicht mehr verhindern, daß er vom Stuhl rutschte und wild fuchtelnd zu Boden stürzte. Während Renie hilflos gebannt auf den Bildschirm starrte, hörte sie hinter sich !Xabbu nach Luft schnappen.
    »Oh, zum Teufel mit dir, Irene Sulaweyo!« schrie Patricia. »Es ging ihm gerade besser! Das hast du angerichtet! Untersteh dich, je wieder hier anzurufen!« Sie kniete neben ihrem Sohn und drückte seinen zuckenden Kopf an sich. Er hatte bereits Schaum auf den Lippen. »Abschalten!« rief sie, und der Padschirm wurde dunkel. Das letzte, was Renie sah, waren die weißen Sicheln von Sokis Augen. Seine Pupillen waren unter die Lider gerutscht.
     
    Trotz Patricias zorniger Worte versuchte sie sofort zurückzurufen, aber der Anschluß im Haus von Sokis Tante nahm keine Anrufe entgegen.
    »Das war ein epileptischer Anfall!« Ihre Finger zitterten, als sie den Zündstreifen an einer Zigarette zog. »Das war ein Grand mal! Aber er ist kein Epileptiker – verdammt, !Xabbu , ich kenne den Jungen schon seit Jahren! Und ich bin auf etlichen von Stephens Schulausflügen als Begleitperson mitgefahren: da kriegt man vorher immer mitgeteilt, ob eins der Kinder ernste gesundheitliche Probleme hat.« Sie kochte vor Zorn, obwohl sie nicht wußte, warum. Außerdem hatte sie Angst, aber die Gründe dafür lagen auf der Hand. »Irgendwas ist ihm an dem Tag passiert, als ich sie aus dem Inneren Distrikt herausholen mußte. Später ist es dann Stephen passiert, nur schlimmer. Herrje, ich wünschte, Patricia würde meine Fragen beantworten.«
    !Xabbus gelbbraune Haut war eine Idee blasser als

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