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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hab. Es war heiß. Ich hab das verdammte Ding ausgezogen, und als ich hier runterkam, bist du mich wegen der Kameras angegangen, und … Scheiße!« Er stand auf, die Hand immer noch auf dem Kopf, als fürchtete er, er könnte ihm andernfalls von den Schultern kippen.
    »Siehste …«, begann Joseph, der seine Befriedigung nicht verhehlen konnte, aber Jeremiah fuhr ihn scharf an.
    »Kein Wort!« Er wandte sich wieder an Del Ray. »Wo ist sie? In der Küche?«
    Del Ray nickte kläglich.
    »Brauchen wir den Revolver wirklich?« Jeremiah schaute sich um. »Ich meine, wenn sie wirklich erst mal hier unten sind, kann er uns dann noch was nützen?«
    »Ob er uns was nützen kann?« Del Ray starrte ihn an. »Und wenn sie hier eindringen? Sollen wir sie vielleicht mit Mehltüten beschmeißen? Wir müssen jeden kleinen Vorteil ausnutzen. Ich muß ihn holen gehen.«
    »Das geht nicht. Wir haben den Fahrstuhl abgeriegelt, wie Sellars es uns gesagt hat – durch die schweren Panzertüren kommt niemand mehr durch. Einen andern Weg nach oben gibt es nicht. Und das Risiko, sie nochmal aufzumachen, werden wir nicht eingehen.«
    Del Ray blickte eine Weile grübelnd auf den Fußboden. Als er sich aufrichtete, war die Panik fast ganz aus seinem Gesicht gewichen. »Wart mal. Wenn ich mich nicht irre, hab ich die Jacke gar nicht in der Küche gelassen. Ich hab sie, glaub ich, hier unten bei uns auf der obersten Etage vor den Fahrstuhl gelegt. Ich hab da den größten Teil der Wasserbehälter und den extra Generator verräumt, und dabei hab ich sie ausgezogen.«
    »Ich hol sie«, verkündete Long Joseph eifrig, aber beide Männer machten Miene, auf ihn loszugehen.
    »Sei still!«
    »Ja, sei still, Joseph!«
    Del Ray war bereits auf dem Weg zur Treppe. »Jammerschade, daß wir den Fahrstuhl an beiden Enden dichtmachen mußten. Es wäre praktisch, wenn wir ihn hier unten weiter benutzen könnten, um Sachen rauf und runter zu schaffen.«
    »Zu laut«, rief Jeremiah ihm hinterher. »Wenn wir Glück haben, merken sie nicht mal, daß hier unten noch weitere Räume sind.« Plötzlich ging ihm auf, wie sehr seine Stimme dröhnte.
    Zu laut, sagst du, und was machst du selber? Wenn sie nun da oben den Boden mit Stethoskopen oder sowas abhören, um uns ausfindig zu machen …
    Die Vorstellung, daß die gesichtslosen Auftragsmörder – als einziger der drei hatte Jeremiah sie noch nicht gesehen – über ihnen auf dem Boden herumkrochen und den Beton abklopften wie Spechte, war ihm äußerst unangenehm.
    Wir wissen nicht mal, ob sie überhaupt drin sind, sagte er sich. Vielleicht kommen sie ja gar nicht durch dieses große Eingangstor, ein Ding wie vor einem Banktresor. Renie und ihre Häckerfreunde haben mindestens so lange gebraucht, bis sie es aufhatten.
    Dennoch wurde er das Bild nicht los. Er sah zu Joseph hinüber, der gerade mit einer Miene gekränkter Ehre ein maßvolles Quantum Mountain Rose zu sich nahm, und hatte das Gefühl, daß er sich irgendeine sinnvolle Beschäftigung suchen mußte.
    Del Ray hatte die Konsole mit den ganzen Überwachungsmonitoren aufgestemmt und einen wüsten Kabelsalat zum Vorschein gebracht, der an Bilder von alten Telefonzentralen erinnerte. Jeremiah setzte sich auf den Stuhl, den der jüngere Mann geräumt hatte, und klickte bedächtig an den Schaltern herum. Die Konsole hatte Strom – unter allen Monitoren brannten rote Lichtlein –, aber die Bildschirme selbst waren schwarz und leer.
    Joseph hat recht. Wenn Renie hier wäre, hätte sie das in wenigen Minuten gerichtet.
    Er zerrte an dem Kabelbündel. Bis auf wenige Ausnahmen waren alle angeschlossen. Er griff sich eines der nicht eingesteckten Kabel und probierte es in ein paar freien Slots aus, aber nichts geschah. Ein zweites brachte genausowenig, doch als er das dritte Kabel hervorzog, kam noch ein damit verschlungenes mit, und als dieses eine Stelle auf der Platine streifte, blitzten die Bildschirme kurz auf und wurden sofort wieder schwarz.
    Aufgeregt machte Jeremiah das mitschleifende Kabel los und berührte damit nacheinander die verschiedenen offenen Buchsen. Plötzlich erwachten die Monitore wieder zum Leben. Glühend vor Stolz steckte Jeremiah das Kabel ein. Jetzt konnten sie aus ihrem Bunker hinausschauen. Sie waren nicht mehr gezwungen, blind zu warten.
    Bevor er Long Joseph von seinem Triumph berichten konnte, erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Einer der Monitore zeigte ein schwarz umrahmtes Rechteck voller Bäume und Sträucher. Verdutzt

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