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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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daß sie in den Rinnstein kippte, und baute sich dann vor Dulcy auf. »Du willst? Dann komm her!«
    Eine Aggressivität, die schon den ganzen Tag in Dulcy geschwelt hatte, flammte jetzt heiß auf. Sie zog die Pistole aus der Jackentasche und legte auf ihn an, das Handgelenk in bester Schießstandmanier abgestützt. »Nein, komm du her, du Arschloch!« Eigenartig, diese durch den ganzen Arm gehende Macht, das Gefühl, daß ihre Fingerspitzen Blitze sprühen konnten. »Auf die Knie mit dir, aber plötzlich!« Dem Mann klappte der Unterkiefer herunter, und ihre fiebrige Aufgeputschtheit wurde noch stärker. So mußten sich diese baptistischen Schlangenaufheber fühlen, wenn sich der lebendige Tod in ihren Händen ringelte.
    »Du … du verrückt!« Der Mann wich zurück, wobei er vergeblich versuchte, seine harte Miene zu bewahren. Die Frau im Rinnstein wimmerte und hielt sich die Arme über den Kopf.
    Sie hatte gute Lust abzudrücken, das miese Schlägerschwein wenigstens den Luftzug am Gesicht spüren zu lassen, aber sie hatte noch keinen Probeschuß damit abgegeben, wußte nicht, ob vielleicht der Abzug klemmte oder sonst etwas war.
    Darm schieß ihm halt das Ohr ab, dachte sie. Oder noch mehr. Na und?
    Aber da stieg aus dem Dunkel ihres inneren Tumults das Gesicht des kolumbianischen Gearmannes Celestino auf, die großen braunen Augen angstgeweitet wie bei einem verwundeten Hund, obwohl sie im wirklichen Leben gar keine Angst in seinem Gesicht gesehen hatte, denn er war online gewesen und hatte sie gar nicht wahrnehmen können, als sie ihn erschoß.
    Der junge Russe, oder was er sonst war, machte kehrt, und an der Hast, mit der er sich entfernte, merkte man, daß er am liebsten gelaufen wäre. Bevor Dulcy einen Schritt tun und ihr aufhelfen konnte, rappelte sich die Frau, die er mißhandelt hatte, taumelnd auf, warf Dulcy noch rasch einen Blick zu wie ein verängstigtes Kaninchen und eilte hinter ihm her. Ihre beiden hochhackigen Schuhe ließ sie auf dem Bürgersteig zurück.
     
    Vor Erregung zitternd atmete Dulcy immer noch ein wenig zu schnell, als sie schließlich den Weg zurück in ihre Straße fand, doch langsam bekam ihre aufgekratzte Stimmung einen bitteren Beigeschmack.
    Die Crux ist das mit der Macht, dachte sie. Du gibst ihnen alle Macht, läßt sie alle Geheimnisse für sich behalten, und sie können dich niederdrücken. Ohne ein scharfgeladenes Gegengewicht ist das Spiel einfach nicht fair.
    Und, was wird Dread wohl verbergen? Bloß seine Schweizer Bankkonten? Material, um ein paar von diesen Gralstypen zu erpressen?
    Sie dachte an die unsichtbare kleine Box in seinem System, die Schachtel mit schmutzigen Geheimnissen, die ein halbwüchsiger Junge vor der Schwester und der Mutti unterm Bett versteckte.
    Aber das find ich raus, wenn ich will. Wenn ich die ganze J Corporation geknackt kriege, dann werde ich todsicher auch mit einem verborgenen Speicher in Dreads Privatsystem fertig. Ich komme rein und wieder raus, ohne daß er das geringste spannt. Dann hab ich zur Abwechslung mal was gegen ihn in der Hand. Was er wohl dazu sagen würde, wenn er es wüßte?
    Sie hatte das Gefühl, daß es ihm nicht sehr gefallen würde, aber im Augenblick, wo ihr Furcht und Wut und Triumph in wilder Mischung durch die Adern rauschten, war ihr das einerlei.

Kapitel
Holla Buschuschusch
    NETFEED/MODERNES LEBEN:
    Bürgermeister verbietet Sterben
    (Bild: High Street in Ladley Burn)
    Off-Stimme: Der Bürgermeister von Ladley Burn, einem reizenden Städtchen im ländlichen Cheshire in England, hat es für gesetzwidrig erklärt, innerhalb der Gemeindegrenzen zu sterben. Was sich wie ein schrulliger Windmühlenkampf gegen den Tod anhört, ist in Wahrheit ein pragmatischer Schritt mit dem Ziel, den örtlichen Friedhof aus dem 13. Jahrhundert zu retten, dessen Kapazität so gut wie erschöpft ist und um dessen wenige verbleibende Plätze ein heftiger Wettstreit unter den Einheimischen ausgebrochen ist.
    (Bild: Bürgermeister Beekin vor dem Friedhof)
    Beekin: »Im Grunde ist es ganz einfach, nicht? Wer in Ladley Burn stirbt, verstößt gegen das Gesetz, und zur Strafe muß er sich anderswo beerdigen lassen. Wo? Das ist leider Gottes nicht unsere Sache.«
     
     
    > Verwirrt und demoralisiert ließ sich Renie neben dem schwarzen Wasser hinsinken, das nach dem Verschwinden des Wutschbaums immer noch schwache Wellen schlug. Das Steinmädchen war vor Schreck über die Gewalt von Renies Zorn ein Stück zurückgewichen.
    »Komm wieder

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