Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
Hausnetzwerk zu entweichen. Was bedeutet, daß der Andere – und damit Dread als lenkende Kraft – seinen Einfluß auf das gesamte globale Netz ausdehnen kann.«
Er trat aus der Felsspalte auf den Pfad und wandte sich bergabwärts, blieb aber noch einmal stehen.
»Der Schaden, den Dread hier anrichten kann, ist nichts im Vergleich zu dem, was er tun wird, wenn er seine neuen Machtmöglichkeiten entdeckt.« Jongleur breitete die Arme aus. »Stellt euch das nur einmal vor. Die ganze Welt wird seinen Befehlen gehorchen – Flugsicherung, Kernindustrien, Arsenale biologischer Waffen, Raketenabschußbasen. Und wie ihr bereits festgestellt habt, ist Johnny Dread ein sehr, sehr zorniger junger Mann.«
Kapitel
Die Höhle des Löwen
NETFEED/NACHRICHTEN:
Sekte gegen Marker-Gen für ihren Messias
(Bild: Zentrale der Astralen Weisheit in Quito, Ecuador)
Off-Stimme: Die religiöse Sekte, die sich »Astrale Weisheit« nennt, will vor Gericht eine Ausnahme von den UN-Bestimmungen für Marker-Gene in menschlichen Klonen erstreiten. Die Glaubensgemeinschaft beabsichtigt, ihren verstorbenen Führer Leonardo Rivas Maldonado in geklonter Form zu neuem Leben zu erwecken, behauptet jedoch, die Marker-Gene, welche die UN zur Unterscheidung der Klone von den Originalen zwingend vorschreiben, verletzten ihre religiösen Rechte.
(Bild: Maria Rocafuerte, Sprecherin der Astralen Weisheit)
Rocafuerte: »Wie können wir unsern liebreichen Meister in einem Körper wiedererschaffen, der von einem nicht zu ihm gehörigen Gen verunreinigt ist? Wir versuchen, das Gefäß der Lebendigen Weisheit neu hervorzubringen, damit wir in diesen letzten Tagen der Welt eine Führung haben, aber die Behörden verlangen, daß wir dieses Gefäß nach religionsfeindlichen Zwangsbestimmungen verändern.«
> Das ist ganz schlimm, das ist ganz schlimm, war das einzige, was Christabel denken konnte.
Das Armeefahrzeug holperte auf den Bürgersteig und hielt vor der Einfahrt an, damit der Soldat, der am Steuer saß, irgend etwas mit dem großen Metallkasten dort machen konnte. Eine Frau in Badeanzug und Morgenmantel, die gerade einen Kinderwagen an dem Gebäude vorbeischob, versuchte, durch die Fenster des Fahrzeugs hineinzulugen, aber allem Anschein nach konnte sie Christabel durch die Scheibe gar nicht sehen. Nach ein paar Sekunden gab die Frau es auf. Der Wagen rollte die Rampe hinunter ins Dunkel.
Christabel merkte, daß sie einen Laut von sich gegeben haben mußte, denn ihr Papi beugte sich zu ihr hinüber und sagte: »Es ist nur eine Garage, Liebes. Hab keine Angst. Nur die Garage von einem Hotel.«
Sie waren für ihr Gefühl ziemlich lange gefahren, aus der Stadt hinaus in eine Gegend, wo es mehr Hügel als Häuser gab. Deshalb hatte sie das Hotel schon eine ganze Weile vorher gesehen – ein großes, breites, weißes Gebäude, das hoch in die Luft emporragte, mit wehenden Fahnen vor dem Eingang. Es sah richtig freundlich aus, aber Christabel war dennoch mulmig zumute.
Der jüngere Soldat, der ihnen gegenüber saß, sah Christabel an, und einen Augenblick lang dachte sie, er werde etwas sagen, vielleicht etwas Nettes, doch dann wurde sein Mund hart und schmal, und er blickte zur Seite. Captain Parkins, der ebenfalls gegenüber saß, machte ein leidendes Gesicht, als ob er Bauchschmerzen hätte.
Wo ist Mami? fragte sie sich. Warum ist sie mit unserm Van weggefahren? Warum hat sie nicht auf uns gewartet?
Damit das mit Herrn Sellars geheim bleibt, begriff Christabel plötzlich. Daß ihr Papi und ihre Mami – und dieser Herr Ramsey, der auf einmal dazugekommen war – jetzt über ihn Bescheid wußten, hieß noch lange nicht, daß das für alle anderen auch galt.
Und als der Wagen endgültig anhielt, wurde ihr noch etwas klar, das sie vorher gar nicht bedacht hatte. Das heißt, Captain Parkins weiß auch nichts von Herrn Sellars, davon, daß er mit uns und mit diesem gräßlichen Jungen im Wagen gefahren ist. Keiner der Armeemänner weiß etwas davon. Deshalb sagt Papi ständig, daß ich mit niemand reden soll.
Sie mußte die Luft anhalten, weil das Herzflattern auf einmal ganz doll wurde. Sie hatte das nicht verstanden. Sie hatte gedacht, daß Papi Captain Parkins böse war, weil der ihm das Wegfahren von der Arbeit nicht gönnte. Jetzt wußte sie, daß er ihm gar nicht böse war, sondern daß er ein Geheimnis hatte. Ein Geheimnis, das sie verraten hätte, wenn einer der Armeemänner sie gefragt hätte.
»Alles in Ordnung, Liebes?« fragte
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