Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
nächsten Moment Stimmen. Jemand kam aus dem Haus.
Es blieb keine Zeit mehr, die Bäume zu erreichen. Er lief zur Ecke zurück und duckte sich hinter die Mauer. Mehrere Personen, wie es sich anhörte, gingen die Auffahrt hinunter und überquerten die Straße. Wenn sie zur Brücke abbogen, würden sie ihn sofort entdecken.
Er wartete mit pochendem Herzen, doch die Schritte entfernten sich. Nach einigen Sekunden riskierte er einen Blick. Er zählte sieben Personen, die zügig in Richtung der anderen Inselgrundstücke marschierten. Vier Gefangene und drei Bewacher. Einer war der ältere Mann von der Brücke; er trug immer noch seine fluoreszierende Schutzjacke. Die beiden anderen trugen identische schwarze Uniformen. Die vier Gefangenen waren Maria, Juri, der Amerikaner, den er in dem Cadillac gesehen hatte, und dessen Fahrer.
Joe sah ihnen nach, bis sie hinter der Straßenbiegung verschwunden waren. Der Fahrer des Cadillacs musste irgendwie entkommen sein, als sie das Haus überfallen hatten. Sie hatten ihn bis zur Brücke verfolgt und ihn hierher
zurückgebracht. Jetzt wurde er zusammen mit den anderen Gefangenen abgeführt. Aber wohin? Zu einer Art Kommandozentrale?
Dreamscape, vermutete er, da dies das einzige leer stehende Haus auf der Insel war. Dann merkte er, dass er die falsche Frage gestellt hatte. Es gab noch ein andere, entscheidendere.
Warum hatten sie einen Umweg über Nasenkos Haus gemacht?
Oliver fand, dass er bei Priya sehr gute Fortschritte machte. Sogar die Handschellen erwiesen sich als Vorteil für ihn, denn sie verhinderten, dass er übers Ziel hinausschoss.
Priya. Der Name gefiel ihm. Wahrscheinlich ein Deckname, aber er passte dennoch zu ihr. Von dem Moment an, als er sich erboten hatte, den Safe aufzuschließen, war sie plötzlich viel freundlicher zu ihm gewesen. Noch hatte er nicht den Mut aufgebracht, die andere Seite des Deals anzusprechen: Wenn ich den Safe aufschließe, was tust du dann im Gegenzug für mich …?
Vorläufig war er dankbar für die Gelegenheit, seinem Groll auf seinen Vater Luft zu machen, wozu er sonst kaum je kam. Seine Schwester hörte ihm schon seit Jahren nicht mehr zu, und wirkliche Freunde hatte er nicht.
Aber Priya war offensichtlich fasziniert. Sie sah ihm tief in die Augen, tief genug, um all seinen Frust und seinen Schmerz zu sehen.
»Du hasst ihn wirklich, nicht wahr?«
»Ich verachte ihn«, antwortete Oliver, und seine Stimme versagte, als er hinzufügte: »Er hat meine Mutter umgebracht. «
Priya runzelte die Stirn, womit sie etwas von der Skepsis
erkennen ließ, mit der diese Aussage gewöhnlich aufgenommen wurde. Doch anders als viele andere zuvor tat sie seine Feststellung nicht vollkommen ab oder lachte ihn gar aus.
»Sie stammte aus einer sehr einflussreichen Familie. Ihr Onkel war Kabinettssekretär, und sie hatte andere Verwandte im Außenministerium, in der Armee und in der Justiz. Das war der Hauptgrund, warum er sie geheiratet hat. Bei Dad sind es die Beziehungen, die zählen, nicht die Gefühle.«
Er hielt inne. Es wühlte ihn stets auf, diese Geschichte zu erzählen, doch er übertrieb die Wirkung ein wenig, in der Hoffnung, dass Priya ihn berühren würde. Und wenn es nur ihre behandschuhten Finger wären, die auf seiner Schulter ruhten …
Er schauderte. »Meine Mutter hatte strenge moralische Grundsätze. Sie mäßigte ihn. Wenn sie dabei war, konnte er nicht das Leben führen, das er führen wollte, und eine Scheidung kam für sie nicht in Frage. Also inszenierte er einen Unfall, an unserem Wohnsitz in Schottland. Eines Abends fuhr sie nach Hause, kam ins Schleudern und verlor die Kontrolle über den Wagen.«
Wieder eine Pause. Seine Augen waren feucht, doch Priya rührte sich keinen Millimeter.
»Könnte es nicht tatsächlich ein Unfall gewesen sein?«
»Nein. In ihrem Blut wurde Alkohol gefunden. Weit mehr als zulässig. Aber meine Mutter hat nie einen Tropfen angerührt, wenn sie gefahren ist. Niemals. Dad hatte sie oft damit aufgezogen, dass sie in der Beziehung so streng war. Deswegen war mir klar, dass es Mord war.«
Er warf ihr einen flehentlichen Blick zu, just in dem Moment, als ein anderes Bandenmitglied hereinspaziert kam und all seine mühevolle Arbeit zunichtemachte.
Oliver spürte, wie der Zorn in ihm aufflammte. Der Mann trug eine Maske, aber es war nicht der, der zuvor bei Priya gewesen war. Er war größer und kräftiger, und er strömte eine raue männliche Autorität aus, die Oliver erdrückend
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