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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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lange,
nachdem die Morgenversammlung vorbei war – erlösten sie den Direktor, indem sie
die Fahrertür von Dr.   Dolders armem Auto mit dem Schneidbrenner entfernten.
    Der Schulleiter wurde für den Rest des Tages in die Krankenstation
gebracht; die Schwestern und der Schularzt wollten ihn zur Beobachtung über
Nacht dortbehalten, doch der Direktor [549]  drohte,
er werde sie alle an die Luft setzen, wenn sie ihn nicht gehen ließen.
    Wieder und wieder hörte man, wie Randy White brüllte, schrie, oder
seiner Frau zuflüsterte: »Das trägt die Handschrift von Owen Meany!«
    Die Morgenversammlung an jenem Morgen war interessant. Wir brauchten
doppelt so lange, bis wir alle in der Aula saßen, da wir nur die eine Treppe
hinaufgehen konnten – und dann war die Holzbank ganz vorne kaputt, und die
Jungen, die normalerweise dort saßen, mußten sich anderswo einen Platz suchen,
auf dem Boden oder der Bühne. Überall waren Glasscherben und Lacksplitter
verstreut, und überall waren Pfützen von ausgelaufenem Öl – und abgesehen vom
Anfangs- und Schlußlied, die die Schreie des Schulleiters übertönten, lauschten
wir gezwungenermaßen mit einem Ohr dem Drama, das sich draußen auf der Treppe
fortsetzte. Das lenkte uns wohl von Mr.   Merrills Gebet ab und von Mr.   Earlys
aufmunternden Worten für die Abschlußklasse. Wir sollten uns durch unsere
Ängste vor der bevorstehenden Aufnahmeprüfung ans College nicht die
Frühjahrsferien verderben lassen, sagte Mr.   Early zu uns.
    »Himmel, Arsch und Zwirn – geh mit dem Schneidbrenner von meinem Gesicht weg!« hörten wir alle den Direktor brüllen.
    Und am Ende der Morgenversammlung stauchte Mrs.   White die Schüler
zusammen, die versuchten, über den kaputten Käfer zu klettern, in dem Direktor
White noch immer gefangen saß, und auf diesem Weg ins
Foyer zu gelangen.
    »Wo bleibt eure gute Kinderstube ?« keifte
Mrs.   White.
    Erst nach der Morgenversammlung konnte ich mit Owen Meany reden.
    »Na, du hast doch wohl nichts mit dem
Ganzen zu tun?« fragte ich ihn.
    »GLAUBEN UND BETEN«, antwortete er, »GLAUBEN UND BETEN – ES FUNKTIONIERT , ES
FUNKTIONIERT WIRKLICH!«
    [550]  Toronto, 23.   Juli 1987 – Katherine hat mich auf ihre Insel eingeladen; keine dämlichen Zeitungen mehr;
ich fahre zur Georgian Bay! Noch ein drückend heißer Tag.
    Inzwischen lese ich – auf der Titelseite von The
Globe and Mail (es scheint Sauregurkenzeit zu sein) – einen Artikel,
demzufolge der schwedische Oberste Gerichtshof »Rechtsgeschichte« macht; der
Oberste Gerichtshof hat in einer Sorgerechtsklage, in der es um eine tote Katze
ging, die Berufung zugelassen. Was für eine Welt! DAS IST WAS
FÜRS FERNSEHEN!
    Ich war schon über einen Monat nicht mehr in der Kirche; zu viele
Zeitungen. Zeitungen sind eine schlechte Angewohnheit, die Cheeseburger der
Lesekultur. Mir passiert es immer wieder, daß ich mich auf eine Nachricht
stürze – die Nachricht ist das moralisch-philosophische und
politisch-intellektuelle Äquivalent eines Cheeseburgers »mit allem« drauf; doch
während ich mich dafür interessiere, werden alle meine anderen Interessen davon
aufgesogen, und was es in meinem Leben an Lust und Fähigkeit zu distanzierter
Betrachtung und Reflexion gegeben hat, ist plötzlich diesem Cheeseburger untergeordnet! Ich biete dies als Selbstkritik an; doch
»politisch« sein bedeutet, diese Leidenschaft für Cheeseburger zu begrüßen – und das hat erhebliche Auswirkungen auf den Rest des eigenen Lebens.
    Ich erinnere mich an das Referat, das Owen Meany im Winter 1962 für
Rev. Lewis Merrill geschrieben hat. Ich frage mich, ob diesen Cheeseburgern in
Reagans Regierung Jesaja 5,20 ein Begriff ist. Wie ›Die Stimme‹ sagen würde: »›WEH DENEN, DIE BÖSES GUT UND
GUTES BÖSE NENNEN‹«.
    Pastor Merrill war der erste nach mir, der Owen fragte, ob er
etwas mit dem »Unfall« von Dr.   Dolders Käfer zu tun habe; das unglückliche
kleine Auto würde die gesamten Frühjahrsferien in der Werkstatt verbringen
müssen.
    »SEHE ICH ES RICHTIG, DASS DIESE UNTERHALTUNG [551]  VERTRAULICH IST?« fragte Owen. »SIE WISSEN JA, WAS ICH MEINE – WIE BEI DER BEICHTE UND SOLANGE ES
NICHT UM EINEN MORD GEHT, WERDEN SIE NIEMANDEM SAGEN, WAS ICH IHNEN BEICHTE?«
    »Das siehst du richtig, Owen«, antwortete Rev. Mr.   Merrill.
    »ES WAR MEINE IDEE !« sagte Owen, » ABER ICH HAB KEINEN FINGER GERÜHRT,
ICH HAB KEINEN FUSS INS HAUPTGEBÄUDE GESETZT – HAB IHNEN NICHT MAL

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