Owen Meany
Schrubbern versteckt, und ein einziges Toilettenhäuschen
war mitten in den Raum gestellt worden; es war aus frischem Sperrholz zusammengezimmert,
so daß der Tischlergeruch den atemberaubenden Gestank des Desinfektionsmittels
beinahe überlagerte. Es gab einen langen, schmalen Spiegel, der mehr an der
Wand lehnte als daß er an ihr hing. Ich hatte nie zu hoffen gewagt, jemals in
eine so »vorübergehende« Herrentoilette zu geraten. Der Raum mußte früher wohl
als Lager verwendet worden sein; allerdings war das Waschbecken so rätselhaft
riesig, daß ich mir nicht vorstellen konnte, was in ihm gewaschen oder
eingeweicht worden sein sollte. Und die Decke war grotesk hoch für den kleinen
Raum; das Ganze wirkte, als hätte ein Erdbeben oder eine Explosion ein langes,
schmales Zimmer hochkant gestellt. Und das einzige kleine Fenster war so hoch
oben, daß es beinahe die Decke berührte, als liege der Raum so tief in der
Erde, daß das Fenster besonders hoch angebracht werden mußte, damit ein wenig
Tageslicht hereindringen konnte – wenn auch kaum etwas davon jemals bis hinab
auf den weit entfernten Fußboden gelangte. Es war eine Art Oberlicht, nur daß
darunter keine Tür war; der Lage der Scharniere nach war es ein Klappfenster,
mit einem so breiten Fensterbrett, daß bequem ein Mensch darauf hätte sitzen
können – abgesehen davon, daß die Decke ihm Kopf und Schultern nach unten
gedrückt hätte. Die Kante des Fensterbretts lag hoch über dem Fußboden – gut [805] drei Meter. Es war eines dieser unerreichbaren
Fenster, die man mit einem Haken, der an einer langen Stange angebracht ist,
öffnet und schließt – falls man dieses Fenster
überhaupt öffnete und schloß; es sah jedenfalls nicht so aus, als wäre es
jemals geputzt worden.
Ich pinkelte in das kleine, schwer erreichbare Urinal: ich trat
gegen einen Eimer, in dem ein Schrubber stand; ich rüttelte an dem dünnen
Sperrholz des »vorübergehenden« Klohäuschens. Die Herrentoilette wirkte so behelfsmäßig, daß ich mich fragte, ob wohl jemand daran
gedacht hatte, die Abflußrohre an das Urinal und die Kloschüssel anzuschließen.
Das geradezu einschüchternde Waschbecken war so schmutzig, daß ich beschloß,
die Wasserhähne lieber nicht anzufassen – und mir die Hände nicht zu waschen.
Außerdem war sowieso kein Handtuch da. Das ist mir vielleicht ein Flughafen,
dachte ich – und ging davon, entwarf dabei in Gedanken einen Beschwerdebrief.
Ich kam nicht auf die Idee, daß es vielleicht anderswo im Flughafen eine
blitzsaubere, funktionierende Herrentoilette geben könnte; vielleicht gab es
wirklich eine. Vielleicht war der Raum, in dem ich gewesen war, einer von
diesen traurigen Orten »Nur für Personal«.
Ich ging in der vollklimatisierten Kühle des Flughafens umher; ab
und zu trat ich ins Freie – nur um die erstaunliche, drückende Hitze zu spüren,
die man in New Hampshire nicht kennt. Die anhaltende Brise mußte aus der Wüste
kommen, denn sie war anders als jeder Wind, den ich bis dahin gespürt hatte,
und ich habe so etwas seither nie mehr erlebt. Es war ein trockener, heißer
Wind, der die weitgeschnittenen Sporthemden der Männer wie Fahnen flattern
ließ.
Ich stand vor dem Flughafengebäude, im heißen Wind, als ich die
Familie des toten Warrant Officer sah; sie warteten
ebenfalls auf Owen Meanys Maschine. Weil ich ein Wheelwright war – und somit
ein neuenglischer Snob – hatte ich angenommen, in Phoenix gebe es vor allem
Mormonen, Baptisten und Republikaner; doch [806] die
Angehörigen des Warrant Officer waren anders, als ich
erwartet hatte. Was mir an ihnen als erstes auffiel war, daß sie nicht
zusammenzugehören, ja nicht einmal zueinander in Beziehung zu stehen schienen.
Etwa ein halbes Dutzend von ihnen stand im Wüstenwind neben einem silbergrauen Leichenwagen;
und obwohl sie ziemlich dicht beieinander standen, wirkten sie nicht wie ein
Familienfoto, sondern eher wie die hastig zusammengetrommelten Angestellten
einer kleinen, schlecht geführten Firma.
Ein Offizier stand bei ihnen – wahrscheinlich der Major, von dem
Owen erzählt hatte, der ROTC -Professor von der Arizona State
University. Er war ein gedrungener, sportlicher Mann, dessen athletische
Ruhelosigkeit mich an Randy White erinnerte; und er trug eine von diesen
Pilotensonnenbrillen. Sein unbestimmbares Alter – er hätte dreißig sein können,
aber auch fünfundvierzig – war zum Teil eine Folge seiner kraftvollen
Erscheinung; und sein borstiger
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