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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
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strukturiert wäre. Und auch eine Prise cooler oder
wilder...
    Was tatsächlich in den abgeschotteten Räumen besprochen
wurde - das konnte ich ja nun später selbst miterleben -, war an
Belanglosigkeit kaum zu übertreffen. Es wurde berichtet, ob jemand vom Motorrad
gefallen war oder welche Partys gerade anstanden. Mal ging es um
Detailplanungen zum nächsten Osterfeuer, in der Regel jedoch nur um Termine.
Da Gremium MC der größte Motorradclub Europas war, fand an jedem Wochenende
irgendwo eine Party statt - und als Chapter schickte man dann auch seine
Abordnungen hin.
    Natürlich reiste man meistens mit dem Auto zu solchen
Veranstaltungen - es sei denn, die Party war in der Nähe und das Wetter gut.
Man fuhr also da hin, um nach kürzester Zeit festzustellen, dass absolut nichts
los war. Die coolen Rocker saßen allesamt da, als hätten sie einen Stock im
Arsch stecken, und waren nur darauf bedacht, auch nachts um zwei noch ihre Sonnenbrille
lässig zu tragen. Vom freien Rockerleben keine Spur. Und schon gar nicht vom Biken.
In meiner ganzen Zeit bei Gremium saß ich weniger auf meinem Motorrad als je
zuvor. Und damals war ich ja zum Teil noch alleine unterwegs. Ganz ohne
Brüder...
    Nach einem halben Jahr als Supporter wurde ich dann
Hangaround, was immerhin schon mal einen Schritt auf der Hierarchieleiter
bedeutete. Angekommen war man zwar noch lange nicht, aber weitere drei Monate
später stieg ich schon zum Prospect auf, und das war die letzte Hürde, die ich
vor der eigentlichen Mitgliedschaft noch nehmen musste. Und die wurde mir
schließlich nach insgesamt etwa einem Jahr »Lehrzeit« endlich gewährt. Manche
Jungs schafften das auch mal schneller - das entschieden die Herren ganz nach
Gutdünken. Diejenigen, die es in weniger Zeit zum Member brachten, hatten aber
in der Regel eine braune Zunge - wenn ihr wisst, was ich damit meine.
    So war ich also im August 2002 Member des Gremium MC
geworden. Ich durfte nun an allen Veranstaltungen, vor allem der
Mitgliederversammlung während des Clubabends, teilnehmen, durfte das Colour
tragen und meinerseits Supporter und Prospects herumkommandieren. Was ich
nicht tat!
    Archaischer ging es kaum noch. Das Ganze erinnerte mich im
Grunde an eine Sekte. Alles war geordnet. Das strikte Aufstiegssystem basierte
auf einem Belohnungsprinzip für Wohlverhalten. Oder Speichelleckerei. Von
Individualität, Freiheit und Abenteuer keine Spur.
    Noch während meiner Anwärterzeit wollten einige der Jungs,
die ich ganz gut leiden konnte, ihr eigenes Chapter aufmachen. Das Chapter
Oldenburg. Die Aktion hatte weniger etwas mit Regionalbezug zu tun, sondern
vielmehr damit, dass man mit der Linie des Jever Chapters nicht mehr klarkam
und man sich eine Gegend aussuchte, in der der Club bis dahin noch nicht
vertreten war. Und Jever war seinerzeit ein ziemlicher Sauhaufen ...
    An einem Freitag kam Uwe, ein Hangaround, im Clubhaus
verstört auf mich zu und stammelte: »Was soll ich denn bloß machen, Scheiße,
was soll ich denn machen?«
    »Wovon sprichst du, was ist denn los?«, fragte ich ihn.
    »Na, ich hab meine Freundin heute zum Clubabend
mitgebracht, und als ich gerade hinters Haus schaue, vögelt die Alte dort mit
einem Member.«
    »Scheiße, Mann, da gibt's nur eines: Hau ihm eins in die
Fresse.«
    Der Junge schien kurz nachzudenken. Und dann kam seine
erschütternde Antwort:
    »Ja, aber dann flieg ich doch aus dem Club. Das ist
immerhin ein Member!«
    Das Wort »Member« betonte der armselige Bursche wie
»Generaldirektor« oder »Gott«. Uwe war natürlich ernsthaft darüber besorgt, und
er hatte zu Recht Angst, dass er rausfliegen könnte, wenn er einem Member eine
betonierte. Aber schaute man aus diesem Grund lieber zu, wie der Typ die
eigene Alte durchnahm? Undenkbar für mich. Ich hätte den Vogel vermöbelt, bis
er nicht mehr »Gremium« hätte sagen können. Und dann hätte ich die Alte abgeschossen.
    Ich war fassungslos: einerseits dieses Duckmäusertum aus
Angst vor Konsequenzen, andererseits das Benehmen eines Members, der einfach
die Freundin eines »Rangniederen« fickte. Wie bei den Gorillas. Aber so war
das, besonders wenn Alkohol im Spiel war. Und das war eigentlich immer der
Fall. Was das alles mit Motorradfahren zu tun hat? Na, nichts natürlich!
     
    4.
     
    Ich war immer noch auf der Suche nach Freunden, die ein
bisschen etwas taugten. Nach Leuten, auf die ich mich zu hundert Prozent hätte
verlassen können. Diese Suche zog sich ja nun durch mein Leben wie ein

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