Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
zerfleddert. Aber jetzt befragt er seine eigene Zeugin, die der Gegenpartei gleich den Todesstoß versetzen wird.
Dan Silver setzt sich neben seinen Anwalt an den Tisch des Klägers und funkelt Tammy giftig an. Dan gehört zu den Männern, die niemals gut aussehen, egal was sie anziehen. Wenn es stimmt, dass Kleider Leute machen, dann ist Dan Silver nicht zu helfen. Er hat zugunsten eines schlecht sitzenden Anzugs, der ihm an den Schultern zu eng und am Körper zu schlabberig sitzt, auf sein Cowboy-Outfit verzichtet. Das grünliche Grau unterstreicht die Fahlheit seiner Haut, seinen schlechten Teint und die Hängebacken. Das Haar trägt er zur klassischen Schmalzlocke mit Entenschwanz gekämmt, womit er sagen will, dass in den fünfziger Jahren alles besser war. Jetzt sitzt er am Tisch des Klägers und funkelt Tammy an.
Silvers Verteidiger ist der berüchtigte Todd »the Rod« Eckhardt, ein klagewütiger Anwalt, der in der gesamten juristischen Gemeinde von San Diego für seine schamlose Bereitwilligkeit bekannt ist, alles und jeden jederzeit vor Gericht zu zerren. Todds Klagen sind das, wofür die breite Öffentlichkeit Anwälte hasst und verabscheut – er hat einen Fahrer vertreten, der sich mit heißem Kaffee begossen hat, weil er mit 120 Sachen durch eine verkehrsberuhigte Zone raste; einen Supermarktkunden, dessen Essen zu heiß ausder Mikrowelle kam; und – Boones Lieblingsfall – eine Nutte, die ihren von der Natur reich beschenkten Freier vor Gericht brachte, weil sie sich bei der Ausübung oraler Tätigkeiten Halsverletzungen zuzog, aufgrund derer sie angeblich nie wieder ihrem Beruf nachgehen und ihren Lebensunterhalt verdienen kann.
Todd the Rod ist vielfacher Millionär und macht keinen Hehl daraus. Zu Anhörungen erscheint er mit einem Kammerdiener – jawohl, einem Kammerdiener –, der aussieht wie aus einem britischen Schwarzweißfilm aus den vierziger Jahren über Erkundungsfahrten im Irrawaddy-Delta. Er trägt Todds Aktentaschen und Geheimordner und hilft ihm aus dem Mantel. Bei Verhandlungen lässt er ihn jedoch lieber zu Hause, damit bei den Geschworenen kein Neid aufkommt. Bei Verhandlungen gibt sich Todd ganz und gar als Mann des Volkes.
Das Einzige, was Boone mit Todd versöhnt (der bei verschiedenen Gelegenheiten versucht hat, Boone zu engagieren): Er ist der wahrscheinlich hässlichste Mensch, der jemals in einen Gerichtssaal watschelte. Um als fettleibig zu gelten, müsste Todd erst einmal abnehmen. Es fällt schwer zu glauben, dass er überhaupt einen Knochenbau besitzt, er wirkt eher wie ein Einzeller – na ja, ein sehr fetter Einzeller mit weißen Haaren, Glupschaugen und einem sehr großen Gehirn. Würde man Todd neben Dave the Love God platzieren, ließe der Anblick einzig die Schlussfolgerung zu, dass doch Außerirdische auf der Erde wandeln, da diese beiden Exemplare unmöglich derselben Gattung entstammen können. Todd setzt sich nicht. Er fließt gewissermaßen auf einen Stuhl und nimmt eine hängende Haltung ein, die einen auf die Idee bringt, ein Kind habe große Kneteklumpen achtlos im Regen vergessen. Schmieriger Schweiß rinnt ihm aus den Poren wie aus einem lecken Ölfass. Er ist widerlich.
Todd the Rod handelte sich seinen Spitznamen in denneunziger Jahren ein, als in San Diego viele Strandhäuser einstürzten. Todd schob jedes Mal einen Metallstab in die Erde des Baugrundstücks, erklärte, die »Bodenzusammensetzung sei mangelhaft«, reichte Klagen gegen den Bauunternehmer, die Ingenieure der Stadt, den Bauaufsichtsleiter und das Versicherungsunternehmen ein – und gewann.
Alan hat eine andere Version parat. »Lasst euch von seinem prähumanoiden Erscheinungsbild nicht täuschen«, hatte Alan Boone bereits vor Jahren während der Vorbereitung auf einen Prozess gegen Todd erklärt. »Wenn du ihm die geringste Angriffsfläche bietest, rammt er dir seinen Stab so tief in den Arsch, dass er dir zum Mund wieder rauskommt.«
Alan hat nicht die Absicht, Todd the Rod Angriffsfläche zu bieten. Im Gegenteil, er bereitet sich darauf vor, seinerseits den Stab zu schwingen. Er stellt Tammy die üblichen Aufwärmfragen – Name, Adresse – und kommt dann unverzüglich zur Sache.
»Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt angestellt?«, fragt Alan.
»Silver Dan’s«, erwidert Tammy.
»Was haben Sie dort getan?«, fragt Alan.
»Ich war Tänzerin«, sagt Tammy und sieht die Geschworenen ungerührt an.
»Tänzerin.«
» Stripperin «, sagt Tammy.
»Einspruch«, nuschelt Todd.
Der
Weitere Kostenlose Bücher