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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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traten sie in ein Gewirr von Felsen, das sie vor den Blicken der Wachen verbarg, und dann noch weiter, tiefer ins Gebirge.
    »Was ist los?«, flüsterte die junge Frau.
    »Die Kreaturen«, flüsterte Arekh zurück und deutete auf die orangefarbenen Lichter. »Sie nähern sich Nôm!«
    Er spürte, wie Marikani sich anspannte, als sie die Lichter sah. »Wir müssen sie warnen«, sagte sie langsam.
    Arekh erinnerte sich an den blutigen Stern, die abgehackten Gliedmaßen der Kinder des Dorfes, in das man ihn geschickt hatte. »Gehen wir.«
     
    Und so nahm alles eine ganz andere Dimension an.
    Der Dorfhäuptling zweifelte keinen Augenblick an
Arekhs Worten. Das Entsetzen angesichts der Kreaturen hatte sich in der ganzen Gegend verbreitet, und allein schon ihre Erwähnung ließ alle vor Furcht erbleichen. Sofort wurde die Bevölkerung im Herzen der Stadt zusammengerufen; Barrikaden wurden errichtet und Patrouillen aufgestellt. Die verängstigten Einwohner bewaffneten sich mit Mistgabeln, Messern und allem anderen, was sie finden konnten.
    Und natürlich setzten sie all ihre Hoffnung auf das Ritual.
    Was bisher nur gleichgültiger Gehorsam einem Befehl gegenüber gewesen war, der aus der Ferne stammte, war plötzlich zu einer Frage von Leben und Tod geworden. Der Priester aus dem fernen Reynes hatte gesagt, dass diese Kreaturen das Böse waren und dass das Böse das Türkisvolk verderbt hatte. Den Göttern das Blut der Sklaven darzubringen war daher die einzige Möglichkeit, die Kreaturen der Abgründe zu bekämpfen und den Schutz der Götter auf die Stadt herabzuflehen.
    Die Wachen wurden verdoppelt, die Sklavenkinder eingesperrt, Wasser und Nahrung verboten. Die Sklaven, die von ihren Herren ausgelöst worden waren, wurden wieder eingefangen und trotz aller Proteste und Tränen ihrer Besitzer in die Höhle geschleift. Konnte man denn das Risiko eingehen, den Göttern zu missfallen, wenn der Feind so nahe war?
    Die gesamte Stadtbevölkerung beteiligte sich nun an den Vorbereitungen. Diejenigen, die keine Barrikaden bauten und nicht zu den Patrouillen gehörten, stiegen mit Blumen und Weihegaben zum Tempel empor. Die aufsässigen Sklaven - darunter Res - wurden gefoltert, und plötzlich nahm man auch die Gerüchte ernst, die sich auf
Ayesha, die Sklavenkönigin aus Harabec, bezogen. Wenn diese Ruchlose unter ihnen war, wenn sie den Boden von Nôm durch ihre Gegenwart entweiht hatte, dann war es wohl kaum ein Wunder, dass es zu einem göttlichen Strafgericht kam. Man schickte einen Suchtrupp in die Berge, aber er fand niemanden, und die Sache verlief im Sande. Es war den Stadtbewohnern lieber, die kampffähigen Männer im Augenblick des Angriffs in der Nähe zu haben.
     
    Der Abend des Rituals brach an.
    Wie um das Wohlwollen der Götter zu zeigen, war der Nachthimmel klar und wunderschön. Die von Hunger und Durst geschwächten Sklaven wurden in einer Prozession in Zweierreihen den Hang empor zum alten Tempel auf dem Berggipfel geführt. Die Einwohner von Nôm umringten sie, stiegen mit ihnen den steinigen Pfad hinauf, sangen Hymnen zu Ehren der Götter, streuten Blumen und schrien den Opfern Beleidigungen zu. Dann mussten sich die Sklaven einer nach dem anderen auf den Altar und darum herum knien, während die Priester, die man aus einer Nachbarstadt hatte kommen lassen, ihre Opfermesser wetzten. Sie würden versuchen, allen so schnell wie möglich die Kehle durchzuschneiden - genau in dem Moment, in dem der Stern des Fîr in Konjunktion mit der Rune der Knechtschaft stand, damit so, wie der Seelenleser es verlangt hatte, das unreine Blut überall in den Königreichen zum selben Zeitpunkt in Strömen floss.
    Marikani, die auf einem Felsblock saß, hob den Blick zur Rune der Knechtschaft, dem türkisfarbenen Stern, der von sieben weißen Sternen umgeben war und so, wie Ayona es vor Tausenden von Jahren beschlossen hatte, eine Rune
bildete, das Zeichen der Sklaverei. Nur einige Punkte am Himmel und doch so viel Leid.
    So begriff er, dass die Götter das Türkisvolk zur Sklave rei verdammt hatten und dass es für Tausende von Jah ren so bleiben würde, bis die Rune dereinst ausgelöscht würde …
    Hier würde es nur fünfhundert Opfer geben. Doch in diesem Augenblick knieten die Sklaven überall in den Königreichen auf den Altären. Überall unter demselben Himmel, unter denselben Sternen, schärften die Priester ihre Messer. Überall würde bald Blut fließen, im kleinsten Dorfschrein ebenso wie auf dem gewaltigen

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