Paladin der Seelen
Augen sie jedoch kein Begehren, sondern bloße Habsucht gelesen hatte. Sie waren auf der Suche nach der Gunst der Königin gewesen, nicht auf der Suche nach Istas Liebe.
Nicht dass Ista Liebe empfunden hätte. Im Großen und Ganzen empfand sie gar nichts. Die vergangenen drei Tage voller hilfloser Angst waren eine Ausnahme gewesen.
Wieder betrachtete Ista ihren Retter von der Seite und musste gestehen, dass er ein blendend aussehender Mann war, sodass sie noch ein paar Stunden die bescheidene Ista dy Ajelo bleiben konnte, die von der Liebe zu einem hübschen Offizier träumte. Doch war der Ritt erst vorüber, war auch dieser Traum beendet.
»Ihr seid sehr still, werte Dame.«
Ista räusperte sich. »Ich war in Gedanken woanders. Offenbar leidet mein Verstand unter der Müdigkeit.« Noch waren sie nicht in Sicherheit, doch war es erst soweit, würde sie vor Erschöpfung umstürzen wie ein gefällter Baum. »Auch Ihr müsst die ganze Nacht wach gewesen sein, um diesen großartigen Empfang vorzubereiten.«
Er lächelte. »Ich brauche in letzter Zeit nur wenig Schlaf. Ich werde mich gegen Mittag hinlegen.«
Nun musterte auch er sie so eindringlich wie sie ihn, und der Ausdruck in seinen Augen beunruhigte sie. Er sah sie an, als würde sie Unentschlossenheit in ihm erwecken, oder ihn vor ein großes Rätsel stellen. Verlegen wandte Ista den Blick ab; deshalb bemerkte sie als Erste, das ihnen im Fluss irgendetwas entgegentrieb.
»Ein Körper!«, rief sie und zeigte darauf. »Ist das der Fluss, dem die Kolonne aus Jokona gefolgt ist?«
»Ja. Er beschreibt hier mehrere Biegungen …« Er trieb sein Pferd in das unruhige Wasser, das bis zum Bauch des Tieres reichte; dann beugte er sich herab, packte den Arm der Leiche und zerrte in den Ufersand. Der Tote trug nicht das Blau des Ordens der Tochter, bemerkte Ista erleichtert, sondern war ein weiterer junger Soldat.
Istas Begleiter verzog das Gesicht. »Ein Späher, würde ich sagen. Am liebsten würde ich ihn weiter nach Jokona treiben lassen, als Kurier. Doch ohne Zweifel sind schon andere unterwegs, die diese Botschaft ein wenig redegewandter übermitteln können. Einige entkommen immer. Wir können ihn mit den anderen Toten einsammeln lassen.« Er ließ den tropfnassen Körper liegen und trieb sein Pferd wieder an. »Ihre Kolonne musste hier entlang kommen«, fuhr er fort, »um sowohl dem stark befestigten Oby wie auch dem von Burg Porifors geschützten Bereich auszuweichen. Obwohl Porifors ursprünglich errichtet wurde, um nach Süden zu schauen, nicht nach Norden. Sie hätten sich lieber aufteilen und in Zweier- oder Dreiergruppen an uns vorbeischlüpfen sollen. Dann hätten sie zwar den ein oder anderen Mann verloren, aber nicht die ganze Truppe. Sie waren zu sehr auf den kürzesten Weg fixiert.«
»Und auf den einfachsten Weg, sofern sie gewusst haben, dass dieser Fluss nach Jokona führt. Ich hatte den Eindruck, dass sie Schwierigkeiten hatten, die Richtung zu bestimmen. Und ich glaube nicht, dass der Rückzug durch diese Gegend Teil ihres ursprünglichen Planes war.«
Ein zufriedener Ausdruck erschien in seinen Augen. »Mein B… bester Ratgeber hat immer gesagt, dass es so kommen würde, in einer solchen Situation. Wie üblich hatte er Recht. Wir haben letzte Nacht unser Lager an diesem Fluss aufgeschlagen und es uns dann bequem gemacht, bis die Jokoner von selbst bei uns vorbeikamen, abgesehen von unseren Kundschaftern. Die haben ein paar Pferde müde geritten und hielten uns stets auf dem Laufenden.«
»Ist es noch weit bis zu Eurem Lager? Ich fürchte, mein armes Tier ist fast am Ende.« Das Pferd konnte kaum noch fünf Schritte gehen, ohne zu straucheln. »Es ist mein eigenes, und ich möchte es nicht zu Schanden reiten.«
»Ja, wir konnten den Weg der Jokoner fast schon anhand der erschöpften Pferde nachvollziehen, die sie zurückgelassen haben.« Tadelnd schüttelte er den Kopf. Sein eigenes Tier wirkte sauber und ausgeruht, trotz der Mühsal dieses Vormittags. Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. »Wir sollten Eurem Pferd unbedingt Erleichterung verschaffen.«
Er ritt an ihre Seite, ließ die Zügel auf den Widerrist fallen, hob Ista aus dem Sattel und setzte sie seitlich auf seinen Schoß. Ista unterdrückte einen protestierenden Schrei, doch nach diesem überraschenden Vorstoß unternahm er keinen weiteren Versuch, sich ihr zu nähern, zum Beispiel, indem er versuchte, einen Kuss von ihr zu ergattern oder indem er schamlose
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