Paladin der Seelen
Gestalt in Blau kam steifbeinig hinter ihnen her.
»Ah! Sie ist gerettet!«, rief Ferda dy Gura voller Freude. » Wir sind gerettet!«
Er sah aus, als hätte man ihn eine Meile weit rücklings durch Dornengestrüpp gezerrt, schmutzig, müde und blass vor Erschöpfung, aber unverletzt: Keine Verbände waren zu sehen, kein Blut, und er hinkte nicht so schlimm, als dass man es nicht mit harmlosen Abschürfungen und ein paar Kratzern erklären konnte. Istas Herz hüpfte vor Erleichterung.
»Majestät«, stieß er hervor. »Ich danke den Göttern, allen fünfen und jedem einzelnen! Gelobt sei die Frühlingstochter! Ich war sicher, dass die Jokoner Euch am Ende doch noch fortgeschafft haben. Ich habe alle, die noch reiten können, mit den Männern des Grafen von Porifors ausgeschickt, um nach Euch zu suchen …«
»Eure Begleiter, Ferda – wurde jemand verwundet?« Ista richtete sich auf, eine Hand auf den Arm des Grafen gestützt, während Ferda sich durch die Menge drängte und an die Schulter des gescheckten Pferdes trat.
Er fuhr sich mit der Hand durchs verschwitzte und wirre Haar. »Einer hat einen Armbrustbolzen in den Oberschenkel bekommen, von den Leuten des Grafen. Ein Missgeschick. Ein anderer hat sich das Bein gebrochen, als sein Pferd darauf fiel. Ich habe zwei Mann beauftragt, sich um sie zu kümmern, bis die Heiler mit den schlimmer verletzten Männern fertig sind. Den anderen geht es so gut, wie man erwarten kann. Auch mir – jetzt, wo die Angst um Euch mir nicht mehr das Herz zerfrisst.«
Arhys dy Lutez hinter ihr war erstarrt und saß reglos da wie ein Stein. »Majestät?«, wiederholte er schließlich. » Das ist die Königinwitwe Ista?«
Lächelnd schaute Ferda zu ihm hoch. »Ja, Herr? Wenn Ihr sie gerettet habt, küsse ich Euch Hände und Füße! Wir haben Todesqualen ausgestanden, als wir die weiblichen Gefangenen gezählt und festgestellt haben, dass sie verschwunden ist.«
Der Graf starrte Ista an, als hätte sie sich vor seinen Augen in irgendeine erschreckende Sagenkreatur verwandelt. Und vielleicht habe ich das ja auch. Welche der zahlreichen Geschichten, die über den Tod seines Vaters durch die Hand des Königs in Umlauf waren, hatte er gehört? Und welche Lüge hielt er für die Wahrheit?
»Ich entschuldige mich, Graf«, bemerkte Ista mit einer Reserviertheit, die sie gar nicht empfand. »Sera dy Ajelo war der Tarnname, unter dem ich gereist bin. Anfangs, um Demut und Frömmigkeit auf meiner Pilgerfahrt zu wahren, später um der Sicherheit willen.« Nicht, dass es geholfen hätte. »Doch da ich nun durch Eure Tapferkeit gerettet wurde, kann ich es wieder wagen, Ista dy Chalion zu sein.«
»Gut«, sagte er. »Dy Tolnoxo hat zumindest nicht in jeder Hinsicht übertrieben. Wer hätte das gedacht.«
Sie blickte zu ihm auf. Jetzt trug er seine Maske wieder. Der Graf ließ sie behutsam in Ferdas hilfreiche Hände gleiten.
9
I
sta klammerte sich an Ferdas Ellbogen. Er geleitete sie über die niedergetrampelte Wiese und erzählte aufgeregt von der Schlacht im Morgengrauen, die er ein Stück weiter vorn in der Kolonne erlebt hatte. Sie bekam nicht einmal jeden dritten Satz mit, erkannte allerdings rasch, wie sehr er von der Kriegskunst Arhys dy Lutez’ angetan war. Die Wiese schien vor ihr zu schwanken, in ihrem Kopf hämmerte es, ihre Augen pochten, und ihre Beine …
»Ferda«, unterbrach sie sanft seinen Redefluss.
»Ja, Majestät?«
»Ich möchte … ein Stück Brot und einen Platz, um mich hinzulegen.«
»Dieses unwirtliche Lager ist nicht der geeignete Ort zum Ausruhen für Euch.«
»Irgendein Brot reicht. Irgendein Platz.«
»Vielleicht kann ich einige Frauen finden, die Euch als Zofen dienen können. Doch was Ihr gewohnt seid, werden sie Euch nicht bieten können …«
»Ich wäre auch mit Eurer Lagerstatt zufrieden.«
»Majestät, ich …«
»Wenn Ihr mir nicht sofort ein paar Decken besorgt, werde ich mich hier auf den Boden setzen und losheulen.«
Diese ernst vorgebrachte Drohung schien ihn endlich aufzurütteln. Zumindest hörte er damit auf, sich um all jene Dinge zu sorgen, die sie seiner Meinung nach unbedingt haben musste, die aber nicht zur Verfügung standen. Stattdessen kümmerte er sich um jene Dinge, die sie wollte und auch bekommen konnte. Er führte sie zu den Zelten der Offiziere unter den Bäumen, wählte scheinbar zufällig eins davon aus und steckte den Kopf ins Innere. Dann führte er sie hinein. Es war warm und stickig und roch nach
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