Paladin der Seelen
Vertraulichkeiten zeigte. Stattdessen legte er bloß die Arme um sie und nahm mit der einen Hand seine Zügel wieder auf, während er mit der anderen Hand die Zügel von Istas Pferd ergriff. Dann band er beide zusammen. So blieb es Ista überlassen, ihrerseits die Arme um ihn zu legen, um nicht aus dem Sattel zu rutschen.
Ihn aus solcher Nähe zu spüren, war überaus reizvoll für Ista. Er stank nicht nach Schweiß, wie Ista erwartet hatte, während sie selbst um einiges schlimmer roch, wie sie vermutete. In dunklen Flecken klebte geronnenes Blut auf seinem grauen Waffenrock, doch auch davon war wenig zu riechen. Nur die Kälte des Todes schien ihn wie eine Aura zu umgeben. Sie lehnte sich gegen seinen Arm, so weit wie möglich von den feuchten Flecken entfernt, und war sich des Gewichts, mit dem ihre Oberschenkel über den seinen lagen, auf erregende Weise bewusst. Solange sie zurückdenken konnte hatte sie nicht mehr so entspannt in den Armen eines Mannes gelegen, wenngleich es diesmal eher an ihrer tiefen Erschöpfung lag.
Er neigte das Gesicht gegen ihre Stirn. Ista kam es vor, als würde er den Geruch ihrer Haare einatmen, und sie erschauerte leicht.
Mit besorgter Stimme flüsterte er ihr zu: »Denkt daran: Ich tue nur Eurem Pferd einen Gefallen.«
Ista prustete und kicherte. Sie spürte, wie sich die Anspannung in ihrem Innern ein wenig löste. Sich vorzustellen, wie es wäre, sich einfach gehen zu lassen, und sei es nur für einen Augenblick, war wundervoll. Ista genoss es und ließ sich vom Schritt seines Pferdes wiegen, während ihre Augenlider allmählich herabsanken.
Hufschläge auf dem Kies, ein Ausruf. Sie wusste, dass es Freunde waren, noch ehe sie aufblickte, denn seine Umarmung blieb sanft und behutsam.
Ista seufzte.
Der Traum ist zu Ende. Zeit aufzustehen.
»Herr!«, rief einer von drei Reitern, die alle in graue Wappenröcke gehüllt waren, wie Ista mit einem Blick durch ihre halb geöffneten Augen feststellen konnte. Sie trabten ihnen in der hellen Vormittagssonne am Flussufer entgegen. Die gepanzerten Krieger fielen in leichten Galopp und versammelten sich um sie herum zu einer lachenden, scherzenden Runde.
»Ihr habt sie!«, fuhr der Sprecher fort. »Ich hätte es wissen müssen!«
Die Stimme ihres Retters klang belustigt, vielleicht auch ein wenig selbstgefällig, als er erwiderte: »Allerdings.«
Sie dachte daran, was für einen heldenhaften Anblick sie beide auf dem gescheckten Schlachtross boten, und was für ein großartiges Schauspiel es für die Männer dieses Edelmannes sein musste. Ohne Zweifel würde es das Gesprächsthema des Abends im Lager sein. Auf diese Weise erhielt ein Befehlshaber sich seine Aura. Wenn es Berechnung war, konnte Ista es ihm nicht vergönnen. Und wenn er als Mann zusätzliches Vergnügen aus dieser zurückhaltenden Umarmung zog, konnte sie es ihm ebenfalls nicht neiden.
Die Männer überschütteten ihn mit einer Flut kurzer Berichte: Über die Gefangenen, die sie gemacht hatten, über die Absicherung des Gebietes, über die Verwundeten, die versorgt worden waren oder die man auf Karren in die nächste Stadt geschafft hatte. Und über die Anzahl der Toten.
»Wir haben noch nicht alle wieder zusammengetrieben, die geflohen sind«, erklärte ihr Befehlshaber. »Allerdings bezweifle ich allmählich die Genauigkeit der Zahlen, die Lord dy Tolnoxo uns hat zukommen lassen. Anscheinend müssen wir uns nur um ungefähr neunzig Jokoner kümmern, nicht um die zweihundert, vor denen er uns gewarnt hat. Fünf weitere Tote könnt ihr weiter flussabwärts aufsammeln. Der eine, den ich ungefähr drei Meilen von hier aus dem Fluss gefischt habe, dürfte bereits bei unserem ersten Angriff auf die Vorhut gefallen sein. Vier weitere liegen nahe der Einmündung eines Seitentals, eine Meile weiter. Dort habe ich sie erwischt, als sie sich mit dieser Dame hier davonmachen wollten. Nehmt ein paar Leute mit und sammelt sie ein. Nehmt auch ihre Pferde und die Ausrüstung mit. Und bringt sie zu den anderen, damit wir den Überblick behalten.« Er warf einem der Männer die Zügel von Istas Pferd zu. »Passt gut auf dieses Tier auf – es gehört der Dame hier. Lasst das Zaumzeug zu meinem Zelt bringen. Ich werde eine Weile dort sein. Wenn jemand etwas über die Gefangenen aus dem Tross zu berichten hat, schickt ihn sofort zu mir. Ich werde heute Nachmittag ausreiten und mir die Verwundeten und Gefangenen ansehen.«
Ista kämpfte ihre Schläfrigkeit nieder. »Unter den
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