Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
drehten sich zu der Stelle, wo der Ast gelandet war. Blitzschnell machte Will auf dem Absatz kehrt und sprintete den Weg zurück, den er gekommen war.
Dieses Mal versuchte er allerdings, so wenig Lärm zu machen wie möglich. Als er sich darauf konzentrierte, leise aufzutreten und die Geräusche seiner Verfolger wahrzunehmen, spürte er, wie seine Sinne immer schärfer wurden, bis sie plötzlich eine höhere Bewusstseinsstufe zu erreichen schienen. Auf einmal hatte er ein genaues Gefühl für die Entfernung und die Richtung, aus der die Geräusche um ihn herum kamen. Seine Sinne erzeugten einen 360-Grad-Scan – fast so, als entstünde vor seinem inneren Auge ein Rasterfeld seiner unmittelbaren Umgebung.
Als Will sich auf diese geschärfte Wahrnehmung einließ, schien die Zeit langsamer abzulaufen. Er sah seine eigenen Tritte, noch bevor seine Füße aufsetzten, und konnte dadurch jegliches Geräusch vermeiden. Gleichmäßig erhöhte er seine Geschwindigkeit und erreichte einen Zustand, in dem seine Bewegungen auf dem »Rasterfeld« erschienen, bevor er sie ausführte. Will fühlte sich wie ein schwereloser Lichtstrahl, der durch den Raum schoss.
Im Handumdrehen war er zurück am Westufer, fünfzig Meter vom Anleger entfernt. Niemand war ihm auf den Fersen; seine Verfolger hatten sich überall im Wald hinter ihm verteilt. Ohne sein Tempo zu verringern, hielt Will auf den Anleger zu. Im Laufen holte er sein Schweizer Messer hervor und klappte die längste Klinge aus. Am Ende des Landungsstegs stieß er sich ab und schwebte drei Meter übers Wasser. Die Klinge trennte die Leine des Bootes durch, als Will zielsicher im Bug landete. Vom Anleger gelöst, schoss das Motorboot auf das offene Wasser hinaus, angetrieben von Wills Schwung. Zwei Schritte zum Heck, ein Zug am Handstarter, ein Aufheulen des Motors und schon zischte er los und steuerte das Boot scharf nach links.
Nick und Ajay liefen bis zu den Knien ins Wasser, als Will sich ihnen näherte. Er verlangsamte kurz das Tempo, damit die beiden sich über die Dollborde ins Boot hieven konnten, hielt dann das Steuer hart nach rechts und sauste Richtung gegenüberliegendes Ufer.
Während sie schweigend über den See fuhren, spürte er, wie sein geschärftes Bewusstsein nachließ. Innerlich fühlte er sich zittrig und leer, genau wie nach dem »Bilderschieben«.
Da besteht also ein Zusammenhang, überlegte er. Die Schnelligkeit, die Ausdauer, das Schieben der Bilder und jetzt das hier. Ich kann noch mehr, ich kann noch viel mehr.
Ihre Verfolger erreichten das Wasser erst, als sie den See schon fast überquert hatten. Kurz darauf hörten sie hinter sich ein Rennboot, aber da hatte Will das Motorboot bereits auf einen Uferstreifen am Festland gesteuert. Sie sprangen heraus, als es im Sand stecken blieb, und liefen los. Mithilfe ihrer Taschenlampen fanden sie rasch den Pfad.
»Wie spät ist es?«, fragte Ajay.
»Zehn vor elf. Wir können es unmöglich bis zur Sperrstunde schaffen«, keuchte Nick. »Na ja, Will schon.«
»Wir schaffen es, Jungs. Ich habe Lyle eben auf der Insel gesehen«, tröstete Will sie.
»Was?«, staunte Ajay.
»Keine Ahnung, ob er in den Tunneln war oder bei den Wachen, die von der Burg kamen, aber er hat nach uns gesucht.«
»Erwischt«, freute Nick sich und ballte die Faust.
»Was zum Teufel hier auch immer vor sich geht, Lyle steckt mittendrin«, meinte Will.
Schweigend und entschlossen liefen sie weiter. Will trieb die anderen an, während er auf Geräusche möglicher Verfolger lauschte. Er hörte ein Motorboot an der Stelle vorbeirauschen, wo sie an Land gegangen waren, aber es hielt nicht an. Die drei passierten die Scheune ohne weitere Zwischenfälle.
Einige Minuten später kamen sie an einem Sicherheitsmann vorbei, der in seinem Golfwagen an Greenwood Hall vorbeifuhr – ausnahmsweise einmal ohne ein freundliches Lächeln. Er ließ sie nicht aus den Augen, als sie exakt um 22.59 Uhr außer Atem durch die Eingangstür preschten.
»Und jetzt eins nach dem anderen«, sagte Will, als sie die Treppe hinaufliefen. »Wir werden jede Menge Kaffee brauchen.«
RÄTSEL
»Das sind französische Namen«, stellte Elise fest, als sie auf die Liste schaute.
»Echt?«, meinte Nick.
»Iss deinen Kuchen, Nick«, forderte Elise und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
»Lise, Schätzchen, ich glaube, wir haben bereits herausgefunden, dass es sich um französische Namen handelt, okay? Bis auf den ersten. Orlando.«
»Und weißt du auch, was
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