Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
während er Elise folgte.
»Wie viel Zeit haben wir?«, fragte sie.
»Will müsste vor dreißig Sekunden reingegangen sein«, teilte Ajay ihr nach einem Blick auf die Uhr mit.
»Und dann?«
»Er sagte, du wüsstest, was zu tun sei.«
»Ach ja?« Elise schien die Vorstellung zu belustigen. Sie blieb am Rand des Waldes stehen und hob warnend die Hand, worauf auch Ajay abrupt innehielt.
Auf dem Steg vor dem Bootshaus sahen sie zwei Ritter in Masken – das Mädchen mit den Zöpfen und den Piraten. Die beiden reagierten auf eine Stimme, die von irgendwo weiter oben nach ihnen rief, und liefen sofort in das Gebäude.
»Was jetzt?«, fragte Ajay.
»Gib mir eine Minute«, sagte Elise und setzte sich in Bewegung. »Dann benutzt du dein Funkgerät.«
»Und was soll ich den anderen sagen?«, fragte Ajay nervös, während er hinter ihr herstolperte.
»Sag ihnen, sie sollen sich die Ohren zuhalten.«
»Okay. Soll ich mitkommen?«
»Erst, wenn du etwas hörst«, erwiderte sie. »Und dann beeilst du dich.«
Die Tür, durch die Nick den Trainerkomplex verließ, führte zu einer Treppe. Nick hastete sie hinunter, zu einer weiteren Tür, durch die er in einen großen, stockfinsteren Raum gelangte. Ganz in der Nähe hörte er das Geräusch gleichmäßiger Wassertropfen. Als er endlich einen Lichtschalter fand und ihn betätigte, sah er, dass er im Duschraum der Umkleide stand. Still und widerhallend, dehnte der Raum sich vor ihm aus – ein Labyrinth aus Trennwänden, cremefarbenen Kacheln und Edelstahl-Armaturen aus einem anderen Jahrhundert.
Als Nick an sich hinabschaute, sah er, dass sein rechtes Hosenbein vom Knie abwärts rot verfärbt war. Der Schmerz, der bei jedem Schritt durch sein Bein schoss, verriet ihm, dass seine Verletzung wesentlich schlimmer sein musste, als er sich zunächst eingestanden hatte. Dann starrte ihm sein Gesicht aus einem der Spiegel über den Waschbecken entgegen und ihm wurde noch etwas anderes bewusst:
Ich habe Angst. Ich habe tatsächlich Angst.
Er streckte die Hände aus und sah, dass sie zitterten. Er wusste nicht, wann er sich das letzte Mal so gefürchtet hatte; dazu musste er ganz weit in seine Kindheit zurückgehen, bis zu jener Nacht, als Pop ihm gesagt hatte, dass Mom nicht mehr nach Hause kommen würde.
Zum Teufel damit. Diese alte Leier kommt heute nicht infrage!
»Verdammt, Junior«, flüsterte Nick und ging näher an sein Spiegelbild heran. »Willst du dich von dieser überdimensionalen Coladose fertigmachen lassen? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Pfand es auf den Heini gibt? Du könntest die Blechbüchse gegen einen verdammten Kleinwagen eintauschen. Na los, Junge, reiß dich zusammen …«
Im nächsten Moment hörte er, wie die Tür am Fuß der Treppe aufflog. Rasch hüpfte Nick um die Ecke in die erste Reihe der Duschen und bewegte sich langsam tiefer in das Labyrinth hinein. Hinter einer frei stehenden gekachelten Wand hielt er inne, während der Paladin scheppernd den Duschraum betrat.
Dann schien der Paladin plötzlich stehen zu bleiben. Nick spitzte die Ohren, ob er irgendeine Bewegung wahrnehmen konnte. Die Tropfen aus den undichten Brauseköpfen, die in dem leeren Raum um ihn herum widerhallten, machten es schwer, etwas herauszufiltern, und lösten einen noch beängstigenderen Gedanken aus:
Was ist, wenn die Dampfwalze auf Tarnkappenmodus schalten kann?
Nur auf ein Bein gestützt, lehnte Nick sich an die Wand und schaute abwechselnd nach links und rechts, um beide Zugänge im Auge zu behalten.
Pitsch, patsch .
Plötzlich schlug rechts neben Nicks Arm eine Metallfaust mitten durch die Wand – dicht gefolgt von der zweiten Faust, die Nicks linken Arm packte und sich wie ein Schraubstock in seine Muskeln krallte. Dann schlang der Paladin beide Arme um ihn und schien seine Brust förmlich zu zerquetschen. Nick versuchte, um Hilfe zu schreien, brachte aber mit der letzten Luft aus seinen Lungen nur ein schwaches Krächzen zustande. Danach war es nicht mehr möglich, Atem zu holen. Während Nick sich verzweifelt wehrte, verschwammen die Duschen zunehmend vor seinen Augen …
Wie aus weiter Ferne hörte er, dass irgendetwas in den Duschraum stürmte – begleitet von einem solch lauten Brüllen, dass Nick davon taub geworden wäre, hätte er nicht schon ohnehin fast das Bewusstsein verloren.
Er spürte eine Schockwelle, als dieses Etwas auf der anderen Seite der Wand gegen den Paladin krachte. Die Wand erzitterte, zerbarst und Kacheln platzten ab wie
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