Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
immer durch, bevor sie sie ins Wasser gibt .
»Ich beeil mich.« Will verließ die Küche, nahm im Vorbeigehen das Hochzeitsfoto seiner Eltern aus dem Regal und stieg die Treppe hinauf, wobei er den Drang unterdrücken musste, fluchtartig aus dem Haus zu rennen.
Nr. 5: VERTRAUE NIEMANDEM.
Will warf den halben Keks aus dem Fenster in den Garten und drückte seine Zimmertür leise hinter sich zu. Da sie kein Schloss hatte, klemmte er seinen Schreibtischstuhl mit der Rückenlehne unter den Türknauf. Er startete die Stoppuhr auf seinem Handy und legte es auf das Bett. Elf Minuten .
Dann ging er ins Bad und drehte die Dusche auf, damit Belinda das Wasser in der Leitung rauschen hörte, zog Sweatshirt und Hose aus und sah sich die Wunde an seiner Hüfte an. Die Haut war knallrot und aufgeschürft, aber er hatte schon schlimmere Verletzungen gehabt. Nachdem er die Wunde mit einem Waschlappen gereinigt hatte, sprühte er ein Desinfektionsmittel darauf. Der Kratzer auf seinem Rücken sah übel und entzündet aus. Auch darauf kippte er Wasserstoffperoxid, umklammerte dann den Rand des Waschbeckens und biss die Zähne zusammen, bis das Brennen nachließ. Wieder in seinem Zimmer, schaute er durch das vordere Fenster hinunter auf die Straße. Niemand zu sehen.
Will zog saubere Trainingssachen an, nahm sein iPhone und tippte auf die neue App. Im nächsten Augenblick öffnete der »Universal Translator« eine leere graue Seite. Kein Menü und auch keine Informationen auf dem Bildschirm darüber, wie das Übersetzungsprogramm anzuwenden war.
Er fuhr seinen Laptop hoch und öffnete seinen E-Mail-Account. Eine neue Nachricht von Dad wartete auf ihn. Laut Sendeinformation war sie um 08.18 Uhr an diesem Morgen abgeschickt worden, aber gerade erst angekommen. Nach einem Doppelklick öffnete sich ein leeres Nachrichtenfeld. Kein Text. Aber da war ein Anhang. Er klickte darauf und die Datei wurde auf seiner Festplatte gespeichert: eine Videodatei, die er aber trotz mehrmaligen Anklickens nicht öffnen konnte. Sechs Minuten .
Nacheinander probierte Will jedes Programm auf seinem Rechner, mit dem man Videodateien abspielen konnte. Keines funktionierte. Dann bemerkte er die Betreffzeile der E-Mail: Übersetzt . Er übertrug die »Universal Translator«-App von seinem Handy auf den Laptop. Dieses Mal erschien ein Menü mit zwei Optionen: Übersetzen und Löschen . Will klickte auf Übersetzen und sofort füllte eine grafische Benutzeroberfläche den Bildschirm. Schnell klickte Will auf Play und das Video begann.
Ein typisches Hotelzimmer wurde sichtbar, aufgenommen durch das Weitwinkelobjektiv der Kamera an einem Laptop. An der Wand hing ein gerahmtes Stilleben und an der Seite des Bildschirms sah man ein Stück des Fensters. Schwaches Morgenlicht fiel in den Raum.
»Will.«
Dads Stimme. Einen Moment später setzte sich Jordan West vor die Kamera. Allein beim Anblick seines Vaters durchströmte Will Erleichterung. Aber dieses Gefühl hielt nicht an. Das Gesicht und das Sweatshirt seines Vaters waren schweißnass, als hätte er gerade einen anstrengenden Lauf hinter sich. Die Gläser seiner Brille waren beschlagen; er nahm sie ab, um sie zu putzen. Will erkannte, dass nicht nur Müdigkeit oder Dringlichkeit aus den Augen seines Vaters sprachen: Dad hatte panische Angst.
»Pass jetzt gut auf, Will«, bat er. »Ich bin in Zimmer 1209 im Hyatt Regency.« Er hielt die Titelseite einer Tageszeitung aus San Francisco hoch und zeigte auf die obere rechte Ecke. Seine Hände zitterten.
Er zeigt mir das Datum von heute. Dienstag, 7. November . Dann hielt Dad sein Handy vor die Laptop-Kamera: 08.17 Uhr. Damit ich genau weiß, wann er das aufgenommen hat .
Jordan beugte sich vor und sprach leise und beherrscht. »Ich gehe jede Wette ein, dass nur du das hier öffnen kannst, mein Junge. Ich setze immer auf dich. Nach dem zu urteilen, was ich gerade gesehen habe, bleibt mir nicht viel Zeit, und sobald du das hier siehst, bleibt auch dir nicht mehr viel.
Ich weiß, wie seltsam und wie beängstigend sich das anhören muss, Will. Zuallererst solltest du wissen, dass nichts von dem, was passiert ist oder vielleicht passieren wird, deine Schuld ist. Nicht im Geringsten. Wir allein sind dafür verantwortlich. Und der Gedanke, dass wir durch unser Handeln Schrecken und Leid in dein Leben bringen, ist für deine Mom und mich nahezu unerträglich.«
Will spürte, wie Panik in ihm aufstieg.
»Wir haben immer gehofft, dass dieser Tag niemals kommen
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