Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
irgendwo anders ein neues Leben zu beginnen. Sollte das der Fall sein, so hat sie bis jetzt niemand gefunden.«
»Was glauben Sie denn?«
»Ich halte es für wahrscheinlicher, dass sie in Schwierigkeiten geraten sind und einen tragischen Unfall hatten. Aber solange sie niemand findet, werden wir das nicht erfahren.«
»Haben Sie deshalb gezögert, Ronnies Zimmer wieder zu vergeben?«
»Zum Teil. Manchmal ist es schwerer, nicht zu wissen, was passiert ist, als die Wahrheit zu erfahren.«
»Warum haben Sie mir das Zimmer gegeben?«
Robbins hielt inne und schaute ihn eindringlich an. »Ist das denn wichtig für dich?«
»Ich glaube, ich bin ein bisschen empfindlich«, gab Will zu. »Ich habe gerade die unheimlichsten 24 Stunden meines Lebens hinter mir, nur um hierherzugelangen, und finde dann heraus, dass ich im Zimmer eines Jungen wohne, der vor sechs Monaten auf mysteriöse Art und Weise verschwunden ist.«
Beruhigend legte Robbins ihm die Hand auf die Schulter. »Ich verstehe deine Besorgnis, Will. Das ist absolut natürlich. Aber die Ereignisse rund um Ronnie haben nicht das Geringste mit dir zu tun.«
Sie verschweigt mir etwas . Will hatte keine Ahnung, woher er das wusste – Instinkt, Intuition, was auch immer. Aber es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, ihr deswegen auf den Zahn zu fühlen.
Nr. 60: WENN DIR DIE ANTWORT, DIE DU BEKOMMST, NICHT GEFÄLLT, HÄTTEST DU DIE FRAGE NICHT STELLEN SOLLEN.
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, gelangten sie zur Klinik. Sie lag etwas abseits vom Zentrum der Einrichtung und war das modernste Gebäude auf dem Campus, ein sechsstöckiger Turm aus Stahl und blau getöntem Glas. Irgendein Förderer hatte einen fetten Scheck ausgestellt, damit sein Name hier verewigt wurde: Große Buchstaben aus mattem Silber wiesen den Bau als »Haxley Medical Center« aus.
Sie fuhren mit dem Aufzug in den fünften Stock. Dr. Kujawa begrüßte sie und führte sie in ein angrenzendes Untersuchungszimmer. Er trug einen weißen Laborkittel, auf dessen linke Brust DR. KEN KUJAWA gestickt war. Der Arzt sah gepflegt und fit aus – Anfang vierzig, schätzte Will –, hatte grau meliertes, kurz geschnittenes Haar und war knapp angebunden.
»Sie können sich dort drüben hinsetzen, Mr West«, wies Dr. Kujawa ihn an und deutete mit dem Kinn auf einen Tisch. »Wie geht es Ihrem Kopf?«
»Im Augenblick gut«, sagte Will.
»Dann wollen wir mal nachsehen.« Kujawa beugte sich über Will, teilte seine Haare und untersuchte die Wunde. »Das habe ich mir schon gedacht«, meinte er und winkte Dr. Robbins heran. Dann tauschten die beiden einen Blick.
»Was ist los? Gibt es ein Problem?«, fragte Will.
»Kommen Sie bitte mit.«
Will und Dr. Robbins folgten ihm in sein Büro, wo Kujawa hinter dem Schreibtisch Platz nahm und etwas in eine elegante Desktop-Version des Center-Tablets eintippte. »In Ihren Unterlagen steht, dass sie Läufer sind. Stimmt das, Mr West?«
»Ja, ich mache Crosslauf.«
»Haben Sie Ihres Wissens nach jemals leistungssteigernde Mittel genommen oder verabreicht bekommen?«
»Was?«
»Diese Mittel werden als ESA klassifiziert, sogenannte Erythropoese-stimulierende oder blutbildende Substanzen. Pharmazeutische Produkte, die durch Injektion verabreicht werden.«
»Nein«, erwiderte Will empört und warf Dr. Robbins einen beunruhigten Blick zu. »Niemals.«
Kujawa fuhr ganz sachlich fort: »Diese Wirkstoffe fördern die körpereigene Produktion des Hormons Erythropoetin, auch EPO genannt. EPO stimuliert die Bildung roter Blutkörperchen, wodurch mehr Sauerstoff in die Muskeln transportiert wird. Sportler können so ihre Leistung erheblich steigern, vor allem bei Ausdauersportarten wie Radfahren, Rudern und Laufen.«
Will wurde immer wütender. »Das nennt man Blutdoping.«
»Haben Sie schon einmal von dem Wachstumshormon Somatropin gehört? Für Ihr Alter und Ihre Größe haben Sie davon nämlich fast doppelt so viel im Blut wie der Durchschnitt …«
»Wollen Sie damit sagen, ich hätte Drogen genommen? Ich schwöre Ihnen, dass das nicht der Fall ist.«
Dr. Kujawa reagierte nicht, sondern schaute ihn ruhig und abschätzend an. Er wartete.
»Es ist nicht so, als ob er dir nicht glauben würde, Will«, sagte Robbins ruhig. »Fahr fort, Ken.«
»EPO und Somatropin erhöhen auch die Selbstheilungskräfte des Körpers – angefangen von lebensbedrohlichen Wunden bis hin zu Mikrorissen in Muskelfasern. Der naheliegende Vorteil für Sportler besteht darin, dass diese
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