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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gelitten, als uns die Nachricht des Erdbebens erreichte. Ich bin sofort hierher gereist – und meine bösen Vorahnungen haben sich auf das Schlimmste bestätigt.«
    Er schaute nach Westen, wo der dunkle Berg in den Himmel ragte. Der Krater war gut zu erkennen. Wie ein grausamer, heimtückischer Feind erschien er ihm. Aber Asterios war entschlossen, ihn zu besiegen.
    »Der Vulkan hat euch Zerstörung gebracht«, fuhr er lauter fort. »Diesmal waren es nur Häuser, der Tempel, die Orchestra – nichts als eine Warnung. Aber ihr habt sie nicht verstanden. Denn der Berg wird bald wieder Feuer speien und dann mit seinem glühenden Atem eure fruchtbare Insel in ein Totenreich verwandeln. Deshalb flehe ich euch an: Verlaßt Strongyle, so lange noch Zeit dazu ist! Nehmt eure Familien, packt euer Hab und Gut zusammen und siedelt euch auf einer anderen Insel an! Besteigt eure Schiffe und reist nach Kreta. Zögert nicht, denn das Ende läßt nicht mehr lange auf sich warten!«
    Für ein paar Augenblicke blieb die Menge stumm. Dann wurde erregtes Murmeln laut, das stetig anschwoll. Einzelne Stimmen drangen bis zu ihm.
    »Woher willst du das wissen?« fragte eine junge Frau, die im Tuch auf der Hüfte ein weinendes Kind trug.
    »Ich habe es gesehen«, erwiderte Asterios ruhig. Seine anfängliche Aufregung war verschwunden. Er fühlte sich sicher und klar wie nie zuvor. »Mein Wissen und euer Vertrauen können euch retten.«
    Wie ein Sturm brach die Entrüstung los.
    »Nichts als Angstmacherei!«
    »Er hat keine Ahnung von unserer Insel!«
    »Typisch Kreter – auf diese Weise wollen sie an unsere Schätze kommen!«
    »Lieber sterben, als nach Kreta zurückkehren!«
    »Ich weiß, was ich von euch verlange«, übertönte Asterios das Geschrei. »Hört mir zu, ihr werdet mich gleich besser verstehen! Ihr seid mit dem Meer und seinen Winden vertraut, könnt gut mit Schiffen umgehen und kennt die Geschöpfe des großen Wassers. Alle Fische des Meeres bereichern euren Speiseplan. Einen nur verschont ihr – den Delphin. Denn ihr wißt, wer von seinem Fleisch ißt, ist totgeweiht. Keine Woge will ihn mehr tragen, kein Schiff mehr bergen.«
    »Niemand würde einen Delphin töten. Sie sind die Freunde aller Seeleute«, rief ein halbwüchsiger Junge.
    »Wie recht du hast«, nickte Asterios. »Delphine leben mit dem Rhythmus der Gezeiten und besitzen unendlich viel feinere Wahrnehmungen, als wir Menschen sie haben. Diese heiligen Tiere haben Strongyle bereits verlassen!«
    Erneut brach wildes Geschrei aus.
    »Ich sage die Wahrheit – und ihr wißt es!« Asterios ließ sich nicht beirren. »Auf der langen Fahrt von Kreta hierher hat sich kein einziger gezeigt! Sagt mir ehrlich: Wann habt ihr zum letzten Mal Delphine vor eurer Insel gesehen?«
    Ein langes, bedrücktes Schweigen folgte, dann erhoben sich einzelne, zaghafte Stimmen. »Er hat recht, schon wochenlang nicht mehr … kein heiliger Fisch weit und breit …«
    »Weil sie den Tod wittern«, fuhr Asterios fort. »Die Delphine sind verschwunden und werden nicht wiederkommen. Sie spüren, daß ein neuer Ausbruch droht.«
    Jetzt blieb die Menge stumm.
    »Dann warten wir ab«, ertönte schließlich die Stimme Laetos. Die kleine Frau sah Asterios furchtlos an. »Wir bleiben so lange hier, bis wir wissen, ob deine Prophezeiung sich tatsächlich erfüllt.« Sie registrierte die allgemeine Zustimmung und fuhr fort: »Ich glaube, ich kann für alle hier sprechen, weil Strongyle die Heimat meines Herzens ist. Wenn die Delphine den Sommer über nicht zurückkehren, sind wir bereit, die Insel zu verlassen.«
    Die Menge begann zu applaudieren. »Ja, wir warten ab, ob die Delphine zurückkommen!«
    Asterios atmete erleichtert auf. Plötzlich fühlte er sich müde. Er sah nach Westen, zu dem schwarzen Massiv. Er wußte, der Berg hatte ihm nur kurzen Aufschub gewährt.

Athenai
    Mit finsteren Gesichtern hockten die Athener auf ihren Schemeln. Spätnachmittagssonne schien durch die weitgeöffneten Fenster und fiel auf den lehmgestampften Boden. Der Raum war karg und schmucklos, abgesehen von einem einfachen Wellenfries. Im Gerichtssaal war es sehr still.
    Auf dem Thron saß Aigeus so unbeweglich, als sei er selbst aus Stein gemeißelt. Ein heller Wollmantel ließ seine Haut noch fahler als gewöhnlich aussehen. Hinter ihm lehnte Theseus an der Wand. Sein scharlachroter Umhang war zurückgeschlagen; auf seiner Brust leuchtete ein goldenes Amulett mit dem behelmten Kopf der Göttin Athene. Unter einer

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