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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Jahren hatten sie sich nicht oft gesehen; waren sie sich aber doch einmal begegnet, waren immer andere dabei gewesen. Hinter den freundlichen Sätzen, die sie bei solchen Anlässen leicht befangen gewechselt hatten, waren ihre tieferen Gefühle verborgen geblieben.
    Immer wieder fiel ihm auf, wie schön sie war. Hatasu schien nicht älter zu werden, sondern wie eine fremdartige Frucht zu reifen; sie verlor dadurch nichts von ihrer Anziehungskraft. Es hatte Augenblicke gegeben, in denen er ein so starkes Verlangen gespürt hatte, daß er ihm fast nachgegeben hätte. Aber sie war seine Schwester, und er sah sich nicht in der Lage, zum zweiten Mal diese schreckliche Verwirrung des Herzens durchzustehen. Außerdem liebte er Ariadne, noch immer, und würde ihr die Treue halten. Obwohl er viele Male von Hatasu geträumt und sich nach ihrer warmen Nähe gesehnt hatte.
    »Gibt es keine Schwierigkeiten?«
    »Wenn du mich so direkt fragst, sollst du auch eine offene Antwort haben«, erwiderte Aiakos. Sie waren vor dem Zimmer angelangt, das für Asterios gerichtet worden war, und Aiakos stieß die Türe auf. Ein Bett, zwei Truhen, ein niedriger Tisch aus Pinienholz, zwei Schemel, das war alles. Dafür leuchtete an der Wand gegenüber dem Fenster ein wunderschönes Bild, stilisierte Papyruspflanzen, Wasservögel in Weiß und Blau und bunte Fischleiber.
    »Ich wußte, daß es dir gefallen würde«, sagte Aiakos, als Asterios zu lächeln begann. »Und ich dachte mir, du würdest nichts dagegen haben, ungestört zu sein, denn die Zimmer neben dir sind frei.« Dann veränderte sich seine Stimmlage. »Das einzige Problem heißt Theseus. Anfangs hat er gegen alles rebelliert; jetzt schweigt er verstockt, was mir noch weniger gefällt.«
    »Ist er der einzige? Oder gibt es andere, die ihn unterstützen?«
    »Ein paar sind öfters mit ihm zusammen«, räumte Aiakos ein. »Vier Jungen und ein trotziges Mädchen, das nicht gehorchen mag. Athener natürlich. Unter den Kretern hat er keine Freunde. Aber ich habe fast das Gefühl, daß diese heimliche Allianz langsam ein wenig bröckelig wird.« Er schmunzelte. »Den anderen scheint es besser bei uns zu gefallen, als es Theseus lieb ist. Ich habe jedenfalls schon lange nichts mehr von Heimweh und Fluchtplänen gehört.«
    »Ich werde ihn mir genau anschauen«, versprach Asterios. »Ich denke, ich sollte mit ihm sprechen.«
    »Warte lieber noch ein bißchen«, riet Aiakos. »Sonst fühlt er sich zu ernst genommen und trumpft noch mehr auf. Er benimmt sich, als ob er sich vor einer ansteckenden Krankheit fürchte. Er hat Angst, seinen Haß auf Kreta zu verlieren. Laß ihm noch ein wenig Zeit. Ich bin ziemlich sicher, daß sein bockiges Aufbegehren sich bald legen wird.« Er schmunzelte wieder. »Schließlich verfügen wir über einige Erfahrung im Umgang mit trotzigen jungen Menschen.«
    Asterios konnte sein Lächeln nicht teilen. Allein der Gedanke an Theseus genügte, um ihn unruhig werden zu lassen. Ich muß mich ihm stellen, dachte er. Um meinetwillen. Für Ariadne. Und um Kreta willen. Aber wann war der richtige Zeitpunkt dafür? Im Augenblick schien es ihm tatsächlich besser, erst einmal abzuwarten. Übermorgen, dachte er, wenn die Sonnwendfeuer lodern, werde ich die Göttin um Ihren Beistand bitten. Dann werde ich wissen, was zu tun ist.
     
    Niemand bemerkte Ariadnes Ankunft. Mit einer Dienerin kam sie im Morgengrauen im Palast an und verschwand gleich in ihren Gemächern. Ihre Reise war bislang wie geplant verlaufen, und sie war bester Laune. Sie vertrieb sich den Tag, indem sie Hyla herumscheuchte und sie all das auskundschaften ließ, was sie wissen mußte. Und sie widmete sich ausgiebig der Pflege ihrer Schönheit. Allerdings mußte sie auf die Benutzung der Baderäume verzichten, wollte sie ihre Anwesenheit noch länger geheimhalten. Aber Ariadne wußte sich zu helfen. Sie ließ das Mädchen ein kleines Bassin im Westflügel reinigen und mit frischem Wasser füllen; dann schlüpfte sie durch eine Geheimtür, die ihr Deukalion vor vielen Jahren einmal gezeigt hatte, hinüber. Nach dem Bad ließ sie sich mit Rosenöl salben. Anschließend zog sie ihre Brauen mit einem Kohlestift nach und vertiefte das Rot ihrer Lippen. Sie tupfte Scharlach auf ihre Wangen und befahl Hyla, sie vorsichtig mit losem Puder zu bestäuben. Ihre Haut schimmerte wie ein reifer Pfirsich, ihre Augen waren dunkel und lockend wie die Nacht. Selbstzufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild. »Selbst Iassos’

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