Palast der blauen Delphine
andere heraus«, sagte er schließlich. » Du bist mir verpflichtet – nicht irgendwelche Schmiede! Wir werden künftig alles umgestalten.«
»Was soll das heißen?« fragte Daidalos vorsichtig. Er schielte zur Hintertür, wo er ein leises Knacken gehört hatte. Aber er schien sich getäuscht zu haben. Wahrscheinlich hatten seine angespannten Nerven ihm einen Streich gespielt. Er fühlte sich elend, er vermißte seine Nubierin. Er hatte Angst, sie niemals wiederzusehen. Bei diesem Gedanken drohte ihn Niedergeschlagenheit zu überwältigen. Mit allem hatte er gerechnet, mit einem wütenden Ausbruch, mit weiteren Kränkungen, aber nicht mit dieser eisigen Ruhe.
»Mein erster Gedanke war, dich zurück nach Athenai zu schikken«, sagte Minos bedächtig. »Aigeus würde keinen Augenblick zögern, das Todesurteil vollstrecken zu lassen. Er war sehr bekümmert, als du damals deinen Neffen Kalos kaltblütig ermordet hast – aus häßlicher Eifersucht.«
Daidalos schaute ihn an wie ein Ertrinkender. »Es war ein Unfall«, protestierte er matt.
»Dann aber kam mir eine bessere Idee«, fuhr Minos fort. »Ich habe viel in dich investiert. Wieso sollte ich dich so einfach meinen Feinden zum Fraß vorwerfen? Vielleicht entwickeln sie Appetit auf Informationen über kretische Schiffe, Werkzeuge und Waffen? Womöglich lassen sie dich sogar laufen, wenn du nur ordentlich ausplauderst? Nein, Daidalos, daraus wird nichts!« Er schüttelte seinen Kopf. »Schlag dir Athenai aus dem Kopf. Solange du noch einen Atemzug tust, wird dein Fuß kretischen Boden nicht verlassen. Darauf gebe ich dir mein Wort!«
»Hast du vor, die Werkstätten zu schließen?« krächzte Daidalos. Sein Magen wütete. Er konnte sich kaum aufrecht halten. Aber er war entschlossen, durchzuhalten.
»Ganz im Gegenteil«, lächelte Minos schmallippig. Von draußen drangen laute Jubelrufe in die Schmiede. Offensichtlich hatte einer der Schützen meisterhaft getroffen. Er lehnte sich an die Mauer. »Du wirst mehr und länger arbeiten, als je zuvor. Du wirst überhaupt nur noch arbeiten. Allerdings unter neuen Bedingungen.«
»Und die wären?« fragte Daidalos müde. Das Feuer in seinem Bauch schien alle seine Kraft zu verbrennen.
»Als mein Gefangener«, sagte Minos süffisant. »Du gehst mit, wohin der Hof zieht. Ich will dich ständig unter Kontrolle haben.« Er beugte sich näher zu ihm. »Und über alles informiert sein! Keine heimlichen Versuchsanordnungen mehr. Keine Umverteilung meiner Mittel. Und glaube nicht, daß du mich hintergehen kannst! Ich habe Vorsorge getroffen, daß das nicht geschieht!«
Ebensogut konnte er tot sein. Blanke Verzweiflung gab Daidalos den Mut, zu widersprechen. »Bin ich dir nicht schon seit Jahren auf Gedeih und Verderb ausgeliefert? Was verlangst du noch von mir? Ich habe dir alles gegeben, meinen Geist, meine Kraft, meine Gesundheit.« Er suchte nach einem wirkungsvolleren Argument. Nur eines kam ihm in den Sinn. »Sogar meinen Sohn. Ich bin nicht so blind, wie du denkst.«
»Das tut hier nichts zur Sache«, sagte Minos schnell. Er hielt inne und lauschte nach hinten, aber er schien sich geirrt zu haben.
»Aber es ist die Wahrheit«, beharrte Daidalos. Seine Augen schimmerten verdächtig. »Ich wollte es dir schon seit langem sagen.«
»Wenn heute schon der Tag der Wahrheiten ist, habe ich auch noch mit einer Kleinigkeit aufzuwarten«, lächelte Minos böse.
Daidalos erstarrte. Das braune Haus und die Frau mit der Peitsche, dachte er. Jetzt kommt alles an den Tag.
»Halte dich von dem kleinen Athener fern! Man hat mir berichtet, daß er ständig um dich herumschleicht.«
Das war es also. Wenigstens nur das. Daidalos wurde eine Spur bleicher. Als er versuchte, etwas zu erwidern, winkte Minos gelangweilt ab.
»Ich weiß, daß du auch dafür eine Erklärung parat haben wirst. Aber ich will sie nicht hören. Das einzige, was mich interessiert, ist Eisen. Hartes Eisen, aus dem sich Werkzeuge und Waffen schmieden lassen. Hast du das verstanden?«
»Ja«, sagte er leise. »Ich habe verstanden.«
»Gut.« Minos löste sich von der Mauer. »Dann packe deine Sachen. Du verläßt Zakros mit uns und wirst deine Versuche in Knossos fortsetzen. Die Mysten segeln ebenfalls mit und verbringen den Winter in Knossos. Aber hüte dich, dort deinem kleinen Freund zu nahe zu kommen! Ich kann sehr ungemütlich werden, wenn meine Anweisungen nicht befolgt werden.«
»Was geschieht mit Ikaros?« brachte Daidalos hervor, als der andere
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