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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sind unglücklich hier«, beklagten sich Nephele und Naïs bei Asterios, der sie regelmäßig besuchte. Iassos hatte es sich nicht nehmen lassen, sie im Herzen von Knossos einzuquartieren. »Das Haus eines Freundes«, hatte er gemurmelt, aber allen war klar, daß das Anwesen in Wirklichkeit ihm gehörte. Obwohl ihr Domizil nahezu luxuriös ausgestattet war, waren die beiden die ganzen Monate über bedrückt gewesen. Das Schicksal der anderen lag ihnen schwer auf der Seele. »Keiner will sie haben. Du hast uns nicht die ganze Wahrheit gesagt, Asterios. Hätten wir geahnt, was die Menschen hier erwartet, wären wir zu Hause geblieben.«
    Sie hatten nicht weitergesprochen. Asterios wußte auch so, was sie eigentlich sagen wollten. Die Priesterinnen und Pasiphaë und ihre Weisen Frauen glaubten nicht mehr daran, daß seine Visionen wahr werden würden. Phaidra hatte ihm eines Tages berichtet, worum es in ihren Gesprächen und Versammlungen ging. »Sie glauben, daß du dich getäuscht hast. Niemand zweifelt grundsätzlich an deiner Gabe. Aber sie sind der Meinung, daß du die Botschaft womöglich mißverstanden hast. Könnte es nicht sein, daß du etwas gesehen hast, was schon vor langer Zeit geschehen ist?«
    »Dann wäre Strongyle heute eine schmale Sichel und keine runde Insel«, erwiderte Asterios unglücklich. »Unbevölkert. Gänzlich von Lavagestein bedeckt. Ich verstehe schon, daß sie langsam ungeduldig werden. Fast ein Jahr ist seit dem letzten Ausbruch vergangen, und noch immer steht der schwarze Berg. Es ist viel bequemer für sie, meinen Bildern nicht zu glauben und mich für einen Narren zu halten. Weißt du, warum?«
    Phaidra schüttelte den Kopf.
    »Eine Katastrophe, wie ich sie gesehen habe, wird alles verändern«, sagte Asterios. »Nichts wird mehr so sein wie zuvor. Und davor haben sie Angst. Wenn die Strongyle unter der Asche erstickt, können wir auch auf Kreta nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Deshalb kann für Pasiphaë und ihre Getreuen nicht sein, was nicht sein darf. So einfach ist das.«
    Das Mädchen blieb stumm.
    »Ich weiß nicht, wann es geschehen wird«, sagte er leise. »Ich weiß nur, daß es geschehen wird.«
    »Gibt es keine Möglichkeit, die Große Mutter zu versöhnen?« fragte sie schließlich. Er musterte sie überrascht. Das war die Frage, die er nur sich selbst stellte. Sie erwiderte seinen Blick, vertrauensvoll wie ein kleines Mädchen. »Irgend etwas, um die Katastrophe zu vermeiden?«
    »Also glaubst wenigstens du mir?«
    »Ich weiß, daß du die Wahrheit sagst«, war ihre einfache Antwort.
     
    Ein paar Tage später forderte Pasiphaë ihn auf, sie zum Labyrinth zu begleiten. Ihr Verhältnis ermutigte ihn nicht, überflüssige Fragen zu stellen. Seit seinem Ansinnen, aktiv am Einweihungsweg mitzuwirken, erst recht aber seit der Landung der Flüchtlinge waren sie sich aus dem Weg gegangen, jetzt aber bestellte ihn die Hohepriesterin. Der Diener der Göttin mußte gehorchen.
    Asterios hatte in den vergangenen Monaten viel nachgedacht. Über die Weisen Frauen. Und über sich selbst und die Aufgabe, die auf ihn wartete. War er nur ein Spielball in ihren Händen? Ein willenloses Werkzeug, das sie nach Belieben einsetzen und wieder weglegen konnten? Trotz aller Eide, die er abgelegt hatte: Sollte ihm nun eine neue Demonstration ihrer uneingeschränkten Macht bevorstehen, war er entschlossen, Widerstand zu leisten.
    Pasiphaë blieb die ganze Fahrt über schweigsam und begnügte sich damit, ihn ab und zu prüfend von der Seite anzusehen. Der festgespannte Rupfen über dem Karren erlaubte keine Sicht auf die wintergrüne Landschaft. Das Gefährt schwankte und schaukelte. Beide waren froh, als sie ihr Ziel erreicht hatten.
    Sie betraten den Tanzplatz. Es war ebenso kühl und windig wie in der Nacht seines Kranichtanzes, und für einen Augenblick hatte Asterios wieder die aufgeregten Gesichter der anderen Mysten vor sich, meinte, ihr Flüstern zu hören, das Geräusch ihrer Füße auf dem steinernen Boden. Er blinzelte. Es war Tag, und er war mit Pasiphaë auf dem Choros allein.
    Was hatte sie vor? Würde sie seine Forderung erfüllen?
    Er starrte auf die schwarzen Schlangen, die seit unerdenklichen Zeiten den Eingang in die Unterwelt bewachten. Seine Handflächen waren feucht wie damals. Aber inzwischen waren Jahre vergangen. Er hatte die ewige Spirale durchlaufen. Er wußte, daß er die Kraft des Stiers besaß. Wollte sie sich erneut davon überzeugen?
    Sie war an den Rand des

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