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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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wir nur tun, Asterios?«
    »Sieh mich an, Phaidra«, sagte er. Er hob sachte ihr Kinn. »Ich weiß, wie das ist, wenn Sie auf einmal zu schweigen scheint und du Ihre Anwesenheit nicht mehr spürst. Ich habe es selbst erlebt. Nicht einmal, sondern viele Male. Es ist schrecklich.«
    Phaidra nickte.
    »Aber Sie ist nicht fort. Du spürst Sie nicht, weil du zweifelst. Aber Sie ist da. Sie ist der Sternenstaub, der aus der Nacht in den Tag fällt, der Feuerbrand, der unsere Seelen zum Leuchten bringt. Der Herzschlag der Erde, das Leben selbst.«
    »Ich bin das All«, sagte Phaidra und sprach das traditionelle Totengebet, als sei es eine neue Verheißung. »Das Vergangene, Gegenwärtige, Zukünftige. Meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.«
    »Sie sei mit dir in Ewigkeit«, erwiderte Asterios bewegt. »Sie ist immer bei uns. Sie ist die Liebe, die das Herz der Welt schlagen läßt.«
     
    Auch die Mysten bekamen die allgemeine Unruhe zu spüren, wenn auch Hemera sie weiterhin mit eiserner Hand durch ihre Übungen führte. Manchmal kam es ihnen vor, als wären sie gänzlich von der Außenwelt abgeschirmt. Aber trotzdem entging ihnen nicht, was um sie herum passierte. Sie wußten, daß die Königin verschwunden war, daß Minos besorgt umherging, Aiakos stets an seiner Seite. Sie bemerkten auch, daß Ariadne Theseus mit Blicken geradezu verschlang. Zumindest einige der Mysten bemerkten es.
    »Ich kann nichts dafür, daß sie mir nachläuft«, sagte er barsch, als sie ihn damit necken wollten. Er winkte sie in eine abgelegene Ecke. »Noch kann ich euch nicht mehr verraten. Aber ich arbeite daran, unseren Aufenthalt hier zu verkürzen, und sie ist ein wichtiger Teil davon.« Befriedigt registrierte Theseus, daß dieser taktische Zug seine alte Anhängerschaft wieder zusammenschweißte. Selbst die, die schon damit begonnen hatten, sich mit der Insel und den kretischen Begebenheiten auszusöhnen, hingen an seinen Lippen wie einst. »Vertraut mir«, beschwor er sie. »Auch wenn ihr jetzt noch nicht alles versteht.«
    Er ließ einige Tage verstreichen, bevor er sich wieder zu Ariadne begab. Niemals zuvor hatte es sie so nach seiner Liebe und Achtung verlangt. Ihre Morgenübelkeit war einem Ekel allem Eßbaren gegenüber gewichen, und es gab Tage, an denen sie nur Wasser trinken konnte. Hätte der Hof sich nicht in Trauer befunden, wäre ihr Zustand mit Sicherheit bemerkt worden. Ihr Gesicht hatte seinen sanften, bräunlichen Ton verloren; hohle Wangen ließen sie krank aussehen. Ihr Leib hatte sich beunruhigend schnell auf das wachsende Leben umgestellt. Ihre Brüste waren groß und schmerzten, und sie hatte bereits ihre schmale Taille verloren. Noch konnte sie es durch fließende Gewänder und lose Gürtel kaschieren. Aber die Zeit lief ihr davon.
    Deshalb war sie überglücklich, als er nachts in ihr Gemach kam. Seit dem Unwetter waren sie sorgloser mit ihren Treffen geworden. Sie bot ihm gewürzten Wein an, er leerte zwei Becher und betrachtete sie kritisch.
    »Du siehst elend aus. Die Schwangerschaft scheint dir nicht besonders zu bekommen.«
    Ariadne wußte selbst, daß sie keinen anziehenden Anblick bot. Aber sie hatte keine Lust, mit Schminke zu verdecken, was sie in ihren eigenen Augen vor allen anderen auszeichnete. »Was versteht ihr Männer schon davon?« erwiderte sie kratzbürstig. »Euer Körper verändert sich nicht. Ihr wißt nichts!«
    »Wenn du Streit suchst, gehe ich besser.«
    »Bitte bleib«, sagte sie sanfter. »Es ist keine leichte Zeit für mich.«
    »Es wird noch schwieriger werden«, stichelte Theseus. »Spätestens wenn deine Mutter ihre Trauerzeit beendet hat. Man kann es dir jetzt schon ansehen.«
    »Ich wünsche mir, daß sie es endlich weiß«, erwiderte Ariadne impulsiv.
    »Und dann?«
    »Dann? Dann gehen wir fort. Nach Athenai. Keinen Tag will ich hier länger leben.«
    Während sie sprach, hatte Theseus ein anderes Bild vor Augen, und er sah Phaidra vor sich. Jener rauschhafte Morgen nach der Heiligen Hochzeit hatte seine Begierde nur noch stärker werden lassen. Tag und Nacht träumte er von ihr, von dem Zittern ihres Gesäßes, dem weißen wehrlosen Hals, den spitzen Brüsten. Voller Widerwillen starrte er auf Ariadnes prallen Busen. Wie das gefüllte Euter einer Kuh, dachte er. Sie riecht wie ein ganzer Stall Weiber zusammen. Ich werde sie nie mehr anfassen können, ohne mich nach Phaidra zu sehnen.
    Als hätte sie seine Gedanken gespürt, rückte Ariadne ein Stück beiseite. »Du

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