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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sich, schon an der Schwelle, noch einmal um. Sein Gesicht wirkte im Halbschatten dunkel und gefährlich. »Zwei Männer der königlichen Garde werden dir von nun ab jeden Tag zur Seite stehen. Damit du nicht in Versuchung kommst, wieder zu lange nach dem richtigen Moment zu suchen.«
    Grußlos ließ er ihn zurück.
    Ich könnte dich umbringen, Minos von Kreta, dachte Daidalos schmerzerfüllt. Er zuckte zusammen, als er seinen Arm berührte. Den Tod wünsche ich dir!
     
    Als er das Klopfen hörte, erschrak er. Aber der Anflug von Furcht war schnell wieder vorbei. Sie konnten es nicht sein. Wenn sie ihn holen wollten, hätten sie sein Zimmer einfach gestürmt. Bislang ließen sie ihn wenigstens in den Nachtstunden in Frieden. Schlimm genug, daß jeden Morgen andere vor seiner Werkstatt erschienen, immer zu zweit, mit den glatten Zügen der kretischen Wachen, die ihm wie eine einzige Provokation erschienen. Er hatte das Gefühl, seit dem Zusammentreffen mit Minos erheblich gealtert zu sein. Sein Magen rumorte, und wenn er beim Rasieren in den polierten Bronzespiegel schaute, kam ihm der Mann mit den hohlen Wangen und den stumpfen Augen fremd vor.
    Selbst Ikaros war sein kränkliches Aussehen aufgefallen, und er hatte ihn angesprochen, ganz direkt, wie es sonst nicht zu seiner behutsamen, vorsichtigen Art paßte. Es war eine Erleichterung gewesen, ihm das Vorgefallene zu erzählen. Daidalos verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln. Sein Sohn war vielleicht nicht der Mann geworden, den er sich immer gewünscht hatte. Aber er war mitfühlend. Und ein kluger Beobachter. Wahrscheinlich kam er noch einmal, um nach ihm zu sehen.
    Es waren Theseus und Ariadne. Zusammen!
    »Dürfen wir hereinkommen?« Die Stimme des Jungen war unbekümmert, die Kreterin wirkte angespannt. So sah jemand aus, der nachts keinen Schlaf fand. »Wir waren vorsichtig. Niemand ist uns gefolgt.«
    Daidalos ließ sie eintreten. Bevor er sie zum Sitzen einlud, schloß er vorsichtshalber den Nebenraum ab. Nicht nötig, daß sie einen Blick auf die gewässerten Bastfäden warfen. Davon brauchte niemand etwas zu wissen. Außerdem war die versprochene Ballenlieferung am Vortag eingetroffen und gerade verstaut. Der geheimnisvolle Stoff aus dem Osten war die letzte aller Fluchtmöglichkeiten, die ihm geblieben war.
    »Was wollt ihr von mir?« fragte er schroff. Er war müde. Krank. Er brauchte seine nächtlichen Stunden für sich allein.
    Zu seiner Überraschung begann Ariadne zu sprechen, so flüssig, als hätte sie ihre Geschichte schon viele Male erzählt. Allerdings verrieten ihre Hände, die keinen Augenblick ruhig blieben, innere Unruhe. Sie trug ein gürtelloses gelbes Kleid, das goldene Plättchen an Hals und Armen abschlossen. Als sie geendet hatte, blieb es eine ganze Weile still.
    »Kannst du uns helfen?« fragte Theseus. »Sag gleich, ob du dazu bereit bist!«
    »Wenn es weiter nichts ist«, entgegnete Daidalos spöttisch. »Ich darf noch einmal zusammenfassen: Heimlich dringst du in das Labyrinth ein, das niemand außer den Eingeweihten betreten darf. Dort bringst du die heilige Stiermaske an dich. Ich soll dir einen Faden zur Verfügung stellen, damit du wohlbehalten wieder hinausfindest. Ist das geschehen, trommelst du die attischen Mysten zusammen, raubst die Prinzessin und segelst mit allen zusammen nach Athenai. Ist das alles?«
    »Nicht ganz«, sagte Ariadne leise. »Ich trage sein Kind. Den Sohn, der einmal nach Theseus den attischen Thron besteigen wird.« Sie machte eine kleine Pause. Dann lächelte sie. »Jetzt sind wir vollkommen in deiner Hand.«
    »Bevor wir Thronsessel verteilen können, muß uns erst einmal die Flucht gelingen«, sagte Theseus barsch. »Ich frage dich noch einmal, Daidalos, Bürger Athenais: Bist du bereit, uns zu helfen? Es soll dein Schaden nicht sein«, setzte er leiser hinzu.
    »Das sagt sich leicht«, erwiderte Daidalos mit klopfendem Herzen. »Vorher. Nachher sieht es dann anders aus.«
    »Ich stehe zu meinem Wort«, erwiderte Theseus vielsagend.
    »Angenommen, ich wäre überhaupt dazu in der Lage«, fuhr Daidalos zögernd fort. »Woher soll ich wissen, daß ihr mich nicht nur auf die Probe stellen wollt? Der Palast der blauen Delphine ist kein Ort, wo man zu vertrauensvoll sein sollte.«
    »Es geht um Leben und Tod«, versicherte Ariadne. »Werden wir entdeckt, bedeutet das unser Ende. Wir haben nur die Möglichkeit, alles so gut vorzubereiten, daß nichts Unvorhergesehenes geschieht. Wir dürfen kein Risiko

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