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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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seinen Ärmel. »Nur noch einen Augenblick«, bat sie. »Hör mir bitte zu, Iassos! Theseus muß ebenfalls verletzt sein. Asterios hat ihn niedergeschlagen. Wenn er mit diesem Faden wirklich den Weg aus dem Labyrinth gefunden hat, wird er versuchen, sich irgendwo zu verstecken. Wo soll er schon hin? Weit kann er nicht kommen. Die königlichen Wachen werden ihn sicherlich bald aufstöbern. Auch noch in ein paar Stunden!«
    Er war unschlüssig stehengeblieben. »Und seine Helfershelfer?« fragte er. »Du glaubst doch nicht, daß er sich die Sache allein ausgedacht hat?«
    »Natürlich nicht. Ich glaube, daß Asterios weiß, wer dahinter steckt. Mir wollte er es nicht verraten. Aber Pasiphaë wird er es bestimmt sagen.«
    »Wenn du meinst.« Iassos war noch nicht völlig überzeugt. »Ich warte bis zur Dämmerung«, sagte er und ließ sich auf einen der prachtvollen Sessel niederplumpsen. »Dann aber mache ich mich gleich auf den Weg nach Knossos.« Er betrachtete sie sorgenvoll. »Ich hoffe, wir tun das Richtige.«
    »Wer will schon wissen, was immer das Richtige ist«, sagte Hatasu leise und schob ihren Teller zurück.
     
    Es war kalt und windig in der Bucht, in der Daidalos nun schon seit Stunden wartete. Er war froh, daß er seinen warmen Mantel angezogen hatte. Er hatte sich bemüht, sein Reisegepäck auf das Wesentliche zu beschränken. Allerdings wäre er nicht Daidalos gewesen, wenn er nicht auch anderweitig Vorsorge getroffen hätte. Mit seinen vorletzten Kupferbarren hatte er einen Handwerker, der aus Naxos stammte, dazu gebracht, ein paar wertvolle Dinge an Bord eines Schiffes zu nehmen, das in Richtung seiner Heimatinsel ablegte. Wenn alles gutging, konnte er sie von dort noch immer nach Athenai nachkommen lassen.
    Sein Magen begann säuerlich aufzustoßen, ein Zeichen dafür, daß er beunruhigt war. Natürlich hatte er mit Theseus keinen exakten Zeitpunkt vereinbaren können. Wenn aber nichts dazwischengekommen wäre, hätte der attische Segler längst vor ihm in der Bucht ankern müssen. Mißmutig starrte er auf das kleine Boot, das er einem Fischer für Geld und gute Worte abgeschwatzt hatte. Weit würde er mit dem mehrfach geflickten Holznachen nicht kommen. Nicht einmal bis nach Dia, dem Inselzipfel, der unmittelbar vor der nordkretischen Küste lag.
    Seine einzig wirkliche Hoffnung war der Flugapparat, der, in allerhöchster Eile fertiggestellt, in seinem Versteck wartete. Die Ereignisse der letzten Tage hatten es nicht mehr erlaubt, einen Flugversuch zu unternehmen. Bis zur letzten Stunde hatte er an dem Ballon und dem darunter angebrachten Korb gearbeitet. Abgelagertes, geharztes Holz für die Feuerung lag bereit, die Federn hatte er vorgestern bereits am Kielende mit heißem Wachs beträufelt und durch die kleinen Löcher gezogen, die im zweifach geölten Papier dafür vorgesehen waren.
    Nach seinen Berechnungen mußte der Apparat zwei Personen mittleren Gewichts ein gutes Stück durch die Lüfte tragen. Die Praxis allerdings fehlte.
    Es tat ihm in der Seele leid, das Ergebnis vieler Planungs- und Arbeitsstunden auf der Insel zurückzulassen. Das Wichtigste aber trug er an einem Ort mit sich, der sicher vor allen Nachstellungen war: in seinem Kopf. Es wäre ihm ein Leichtes, einen ähnlichen Flugapparat zu rekonstruieren, falls Athenai es wünschte. Wahrscheinlich aber war Theseus ohnehin mehr daran gelegen, daß er weiter an seinen Verfeinerungen zur Eisenverhüttung arbeitete.
    Daidalos starrte nach Osten, woher die schwerfällige Triere kommen mußte. Auch auf diesem Sektor hatte er gerade in letzter Zeit bemerkenswerte Erkenntnisse gehabt. Die Athener beherrschten zwar die Kunst, Eisen zu schmieden; die Finessen seiner Stahlherstellung allerdings, die Wasser, Erde und Feuer miteinander kombinierte, würden sicherlich auch sie überraschen.
    Er ruderte mit den Armen, um wieder warm zu werden. Eigentlich waren es nicht Nacht und Wind, die ihm zu schaffen machten. Der Abschied von Kreta fiel ihm schwerer, als er sich eingestehen wollte. Besonders, da Ikaros nicht mit ihm gehen würde. Dieser wußte über die Fortschritte am Flugapparat Bescheid. Aber er ahnte nichts von seiner Verbindung zu Theseus und Ariadne. Daidalos hatte es nicht über sich gebracht, ihm davon zu erzählen. Er wollte seine Gefühle nicht verletzen. Ikaros war niemals Athener gewesen. Er dachte, fühlte und liebte wie ein Kreter. Daidalos konnte ihm die Insel nicht rauben, die ihm so viel bedeutete.
    Das jedoch war nur die

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