Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
Papiere, ich meine â¦Â« Ihre Stimme versagte.
»Papiere?«
Ihr krampfte sich der Magen zusammen. Sie musste es aussprechen.
»Einen neuen Pass. Und noch mehr. Eine Geburtsurkunde und eine Ledigkeitsbescheinigung. Und ⦠und auch eine Meldebestätigung.«
Max fixierte Carla.
»Was ist los, Carla?«
»Ich â¦, ach, Max, ich bin verheiratet. Verstehst du? Ich möchte Theo heiraten, wenn er wiederkommt. Ich habâs ihm versprochen.«
»So â¦, ich fange an zu verstehen. Und warum lässt du dich nicht scheiden? Das ist einfacher.«
»Ist es nicht.«
»Wieso nicht?«
»Ich ⦠ich heiÃe nicht Carla Meyer.«
»Hm, und warum?«
»Bitte frag nichts. Kannst du mir helfen?«
»Wie stellst du dir das vor? Das ist kein Kinderspiel.«
»Max, ich liebe Theo.«
»Warum sagst du ihm dann nicht die Wahrheit?«
Carla schrie auf.
»Wie sollte ich? Ich kann es nicht, bitte, glaube mir. Bitte, Max. Er wird mich verlassen, wenn â¦Â«
»Wieso glaubst du, ich könnte dir helfen?«
»Ich kann nur dich fragen. Ich habe niemanden sonst. Ich habe keine Ahnung, wie man an gefälschte Papiere kommt.«
»So, und du denkst, ich könnte das regeln.«
»Ich kann es nur hoffen.« In ihrer Stimme schwang ein kläglicher Ton.
Max fixierte sie. Wer war diese Frau? Seine Augen verloren sich in ihrer Traurigkeit.
»Ich kann nichts versprechen. Es wird eine Zeit dauern. Doch eines muss klar sein, wenn ich dir helfe. Ich frage dich nichts und du fragst mich nichts.«
Carla umarmte Max und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
»Danke, Max, danke.«
Max spürte Carlas glühende Wange und die weichen Lippen, mit denen sie einen Kuss auf seine Wange tupfte. Eine unbeholfene Verlegenheit machte sich in ihm breit.
In Carlas Augen leuchtete Hoffnung.
»Wenn alles gut geht, habe ich alles beisammen, wenn Theo zurück ist, Gott im Himmel, lass ihn zurückkommen.«
Ernst ist das Leben
Die dreiflügelige Kaserne lag vor der Stadt mit Blick über Felder, die an einen Tannenwald grenzten. Theo stand mit 200 anderen Männern auf dem Kasernenhof. Sie wurden der GröÃe nach ausgerichtet und hieÃen nun âºKompanieâ¹. Der Hauptmann legte die Hand an den Mützenschirm. 200 Stiefelhacken knallten gegeneinander.
»Aaachtung!«
Der Unteroffizier führte sie in den Schlafsaal. Er war für 80 Männer ausgelegt. Die 200 Soldaten zwängten sich in den stickigen Raum. Pritschen. Spinde, Hocker. Dicht an dicht. Es roch nach scharfem SchweiÃ, Leder, Stiefelwichse, Gewehrfett und Petroleum.
Theo schlief in keiner Nacht. Blähkanonaden, schweinische Witze, begleitet von Lachsalven, jagten durch die Dunkelheit. Dann Schnarchen und Stöhnen. Manche Männer sprachen im Schlaf. Theo konnte nicht verstehen, was sie vor sich hin brabbelten.
Links, rechts, links, rechts. Marsch, marsch, grüÃen, schieÃen, schanzen, Wache schieben, Knöpfe putzen, Essen fassen, Latrinen leeren. GrüÃen, schieÃen, schanzen, Gewehr auf, ab, auseinander, zusammen. Marsch, marsch. Parademarsch. »Aaachtung!« Theo marschiert, Theo grüÃt, Theo schieÃt, Theo schanzt, Theo scheiÃt. Theo ist jetzt ein Soldat.
Er hockte auf seiner Pritsche und ging seine Ausrüstung durch. Graue Uniform, Kommissmantel, Pickelhaube, Uniformmütze, Stiefel, Rucksack, Leibriemen, Patronentasche, Gewehr, Reinigungsschnur, Bajonett. 150 scharfe Patronen, Waffenfett, Gasmaske, Notverbände, Pflaster, Lederzeug, Zelt, Zeltpflöcke. Kochgeschirr, Trinkbecher, Feldflasche, Spaten, Handschuhe, Brotbeutel, Kaffeedose, eiserne Ration (zwei Beutel Kekse, eine Fleischkonserve, ein Päckchen Erbsen), ein Pfund Schinken, ein Pfund Butter, ein Pfund Speck, ein Kommissbrot.
Zwei Wollpullover, zwei Hemden, zwei Unterhosen, Unterhemd, Halstuch, Muff, zwei Gürtel, Kniewärmer, vier Paar Strümpfe, Kapuze, weiÃe Armbinde für Nachtkämpfe. Erkennungsmarke.
Das Neue Testament, Nähzeug, Karte. Drei Notizbücher, Schreibpapier, 30 Feldpostkarten.
Theo ergriff den Postkartenstapel und blätterte ihn durch. Soldaten mit Frauen und Mädchen. Soldaten mit Pferden, Soldaten mit Kanonen, Soldaten mit Rotkreuzschwestern, verwundete Soldaten, tote Soldaten, lustige Soldaten, siegreiche Soldaten, Soldatenkarten. Soldatensprüche.
âºKönntest du ins Herz
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