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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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mir sehn
    Braucht ich nicht erst Lieb’ gestehn

    Muss ich jetzt auch von dir gehn
    Bald gibt es ein Wiedersehn

    Deutschland, Deutschland über alles
    Und im Unglück nun erst recht

    O Vaterland, im Kampfe frei zu stehn
    Für dich, wenn’s gilt, auch in den Tod zu gehn

    Morgenrot, Morgenrot
    Leuchtest mir den frühen Tod‹

    Theo schleuderte die Karten auf das Bett. Schauer des Grauens überliefen ihn. Jetzt kam er an die Reihe. Gestern waren sie gegen Typhus, Cholera und Diphtherie geimpft worden. Und wurden belehrt, wie man Notverbände anlegte und dass ihnen bei Fahnenflucht die Todesstrafe drohte. Was bedeutete das schon? War es nicht besser, erschossen als zerfleischt oder in Stücke gerissen zu werden? Theo nahm von dem Schreibpapier.

    â€ºGeliebte Carla!

    Eine Ewigkeit bin ich schon von Dir fort. Hier in der Kaserne wurden wir hart rangenommen. Exerzieren, schießen, schanzen. Exerzieren, schießen, schanzen. Man hat versucht, uns zu betäuben für den Weg in die Hölle. Aber ich eigne mich nicht zur Todesmaschine. Ich bin ein Mensch geblieben. Ich denke und fühle. Ich habe Angst, wahnsinnige Angst.
    Morgen marschieren wir ab. Wohin? Ich darf es Dir nicht schreiben. Die Männer singen ›Und gleich sind wir am Rhein und heute Abend an der Grenze. Lieb Vaterland, leb wohl‹. Ich singe nicht und ich werfe auch nicht meine Mütze in die Höhe. Ich denke an Deine Worte. Doch jetzt ist es zu spät.
    Ich denke viel an Dich, Knöpfchen. Ich vermisse Dich so sehr! Und die Blumenvorhänge. Und all die Hüte. Hier gibt es nur Helme, Helme, Helme.
    Ich liebe Dich und strecke die Hände nach Dir aus, gib mir Deine Hand, damit ich sie halten kann. Hab mich lieb! Hilf mir! Die Verwundeten berichten haarsträubende Geschichten. Es ist Wahnsinn, Krieg zu führen. Doch für Dich will ich am Leben bleiben. Ich verspreche es Dir.
    Ich küsse Dich tausend Mal
    Bete für mich, mein geliebtes Knopfauge
    Für immer Dein Theo‹

Lieb Vaterland
    In der ganzen Stadt wehten Flaggen. An den Fahnenmasten, auf den Häuserdächern und aus den Fenstern heraus, an den Automobilen, Trams und Pferdekutschen. Alle Kirchturmglocken läuteten. Die Menschen liefen auf den Plätzen zusammen und stießen Hochrufe auf Deutschland und den Kaiser aus. Siege deutscher Truppen waren verkündet worden. Man sprach bereits von der bevorstehenden Entscheidungsschlacht im Westen. Die Deutschen seien nur noch 100 Kilometer von Paris entfernt. Das sind zwei Zugstunden, dachte Carla.
    Von der Wanduhr schlug es ein Uhr. Sie kauerte im Sessel. Ein Mondstrahl querte das Zimmer. Der Schatten der Fenstersprossen zog sich als längliches, schwarzes Kreuz durch den Raum. Wo war Theo jetzt? Lebte er noch? Mehrere Verlustlisten waren bereits erschienen. Einmal träumte ihr, er sei gefallen, und sie schreckte hoch mit dem Gefühl, selbst zu sterben. Seit er die Kaserne verlassen hatte, erhielt sie keine Post mehr. Sie wusste nicht einmal, ob ihn ihre Briefe erreichten. Über ihre Sorgen schrieb sie nie. Sollte sie ihn mit ihren Problemen belasten? Banken und Lebensmittelgeschäfte waren gestürmt worden. Die Preise schossen in die Höhe. Zucker und Mehl waren bereits nicht mehr zu bekommen. Überall herrschten Elend, Not und Arbeitslosigkeit. Erste Konkursmeldungen standen in den Zeitungen. Auch das Kino lief schlecht. Sie befürchtete noch stärkere Verluste. Bislang stammten fast alle Films aus Frankreich. Jetzt wurden die ausländischen Films der Feinde beschlagnahmt. Neue durften nicht mehr eingeführt werden. Filmkrieg den Franzosen! Gegen das Film-Franzosentum. Pathé züchtet den Deutschenhass im Ausland. Er macht Deutschland und deutsches Leben lächerlich. Deutsche werden als Hanswürste oder Schufte verfilmt, hieß es plötzlich. Es sollten nur noch Bilder gezeigt werden, die die Vaterlandsliebe und die guten Sitten förderten. Verdeutschung der Lichtspielbühne, Reinigung von Schmutz und Schund ausländischen Ursprungs war das neue Ziel. Die ganze Stadt machte Hetzjagd gegen das Ausland. Einen Kapellmeister hatten Gäste verprügelt, weil er in einem Café französische Weisen spielte. Die Cafés und Gaststätten mit französischen Namen waren umbenannt zu ›Haus Vaterland‹ oder ›Kaisermühle‹ oder ›Deutschlandschenke‹. Ein Kino wurde geschlossen, weil der Besitzer sich weigerte,

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