Pamiu Liebling der Goetter
übertreffen, mein Bruder. Davon bin ich überzeugt.“
Nefermaat wandte sich ab. „Ich muss zum Pharao. Er will einige Baupläne mit mir durchsprechen. Wollt ihr nicht mitkommen?“
Ehe Pamiu etwas hätte sagen können, sprach sich Khufu schon dagegen aus. „O nein, wir genießen lieber noch etwas von diesem wunderbaren Wein und überlassen dir die Arbeit.“
Nefermaat runzelte die Stirn und wandte sich an Pamiu. „Ich frage mich, wie ein schlichter Charakter wie mein Bruder einen Feingeist wie dich Freund nennen kann, Pamiu.“ Dann wandte er sich um und ging davon.
Pamiu spürte, wie Khufu innerlich kochte. Er legte ihm die Hand auf die Schulter, doch der Prinz schüttelte sie ab.
„Siehst du die Lastenkräne dort oben, an denen jeweils ein Granitblock hängt? Der linke dort, da wirst du dich morgen verstecken, und ich werde dafür sorgen, dass mein genialer Bruder sich mit dem Stein vereinigen wird – ein wahrhaft würdiges Ende für einen Baumeister, oder? Wie wäre es, mein Freund, möchtest du nicht diese Nacht auf dem imposanten Grabmal meines Vaters verbringen? Ich werde den anderen erzählen, dass dich das Fieber schüttelt und du aus diesem Grunde schon vorher den Rückweg zur Residenz in meiner Sänfte angetreten hast. Meine Träger sind allesamt stumm. Sie werden die Wahrheit nicht verraten können.“ Khufus Mund umspielte ein böses Grinsen. „Es ist die beste Möglichkeit zu verschwinden. Versteck dich bis morgen, Pamiu.“
Pamiu starrte in dem dunklen Nachthimmel hinunter zum Boden. Hier oben zwischen den Granitblöcken des gewaltigen Bauwerks herrschte ein kalter Wind. So glühend heiß, wie die Wüste bei Tage war, so eiskalt streifte der Atem des Totengottes Anubis sie bei Nacht. Pamiu hatte die Kletterpartie relativ gut überstanden. Er war nur einmal ausgerutscht und hatte sich das Knie an einem scharfen noch unbehandelten Stein aufgeschlagen. Er war leise gewesen und unbemerkt geblieben. Jetzt starrte er aus schwindelerregender Höhe hinunter zum Wüstensand, der im Licht des fahlen Mondes dämonische Formen wie die des bösen glutäugigen Seth annahm. Er erschauerte und richtete dann seine Aufmerksamkeit auf den Lastenkran, der vor ihm aufgebaut war. Es war ihm schleierhaft, weshalb der schwere Granitblock in den Seilen baumelte und nicht erst bei Arbeitsbeginn hinaufgezogen wurde. Viel zu unsicher schaukelte er im Wind hin und her, viel zu groß war sein Gewicht, als dass die dicken Hanfseile es lange halten konnten. Nefermaat war vielleicht ein genialer Baumeister, aber er war unvorsichtig – eine Schwäche, die ihm morgen zum Verhängnis werden würde.
Pamiu dachte darüber nach, ob er Nefermaat mochte. Eigentlich hatte der Kronprinz ihm nur Komplimente gemacht, doch er war ihm fremd geblieben. Pamiu fiel es leichter, sich mit seinem langjährigen und unwirschen Freund Khufu zu unterhalten. Vielleicht entdeckte er in ihm eine Art Seelenverwandtschaft – die Seelenverwandtschaft der Ausgestoßenen und wenig Geliebten. Er wusste, dass er Nefermaat töten würde und dass er versuchen musste jegliche Zweifel und Gewissensbisse, die tief in ihm nagten, in den hintersten Winkel seiner Seele zu verbannen, um nicht an dieser Tat zugrunde zu gehen. Nefermaat war ein Begünstigter der Götter, nicht Pamiu. In ihm selbst tobte ein Feuer des Zweifels und der Einsamkeit, das Nefermaat nicht kannte. Er schloss die Augen, und seltsamerweise überkam ihn schon bald eine bleierne Müdigkeit. Diese Nacht floh ihn der Schlaf nicht.
Er wurde von der Wärme der Sonne geweckt, vom Hunger, vom Rufen der Stimmen unter ihm. Pamiu war sofort hellwach. Er blickte hinunter und sah, dass die Sänften gerade abgesetzt wurden. Es musste noch früher Morgen sein, denn die Menschen, die aus den Sänften stiegen, gähnten und standen lustlos herum. Auch sah er, wie ein paar Sklavinnen Speisen auftrugen und Sonnensegel errichteten. Pamiu dachte an seinen knurrenden Magen und verfluchte sich dafür, dass er nicht daran gedacht hatte, etwas zu essen mitzunehmen. Er seufzte und lehnte sich zurück. Es würde wohl noch eine Zeit dauern, bis Bewegung in die Menge dort unten kam.
Ein paar Stunden später, in denen Pamiu schon glaubte, er würde in der Hitze der Wüste ersticken, hörte er abermals Stimmen von unten. Er wagte einen Blick über einen der Granitblöcke hinweg und sah, wie sich der Pharao, sein Thronfolger und Khufu in Richtung der Pyramide bewegten. Pamiu hatte einen Klumpen in der ohnehin
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