Pamuk, Orhan
gehofft hatte, in seinem Innern verschließen, und machte den
Fehler, meiner Tochter seine glühende Liebe zu eröffnen.
Daraufhin mußte ich ihm das Haus
verbieten.
Ich denke, auch Kara weiß
inzwischen, daß sich meine Tochter drei Jahre nach seinem Abschied aus Istanbul
in ihrem besten Alter mit einem Spahi vermählte, dieser sorglose Krieger aber,
nachdem
sie ihm zwei Söhne geboren hatte, an
einem Feldzug teilnahm, von dem er nicht zurückkehrte, und daß seit vier Jahren
niemand etwas über seinen Verbleib weiß. Es ist nicht der Gerüchte und Nachrichten
wegen, die in Istanbul so schnell Verbreitung finden, es ist seine Art, mir in
die Augen zu sehen, wenn wir gelegentlich schweigen, die mir sagt, daß er
inzwischen alles weiß. Ja, ich begreife, daß er sogar in diesem Augenblick auf
die Laute der durch das Haus laufenden Kinder horcht, während er einen Blick
zu dem Kitap-ur Ruh – dem »Buch der Seele« – auf dem Buchständer
hinüberwirft, er weiß also, daß meine Tochter vor zwei Jahren mit ihren Söhnen
ins Vaterhaus zurückgekommen ist.
Über dieses neue Haus, das ich
während Karas Abwesenheit errichten ließ, haben wir bislang nicht gesprochen.
Sehr wahrscheinlich empfindet es Kara als höchst unschicklich für einen jungen
Mann, der nach Vermögen und Ansehen strebt, diese Dinge zu berühren. Dennoch
habe ich, gleich nachdem er das Haus betrat, auf der Treppe zu ihm gesagt, das
obere Stockwerk sei stets trockener, und für die Schmerzen in meinen Knochen
sei es gut gewesen, sich hier einzurichten. Als ich vom oberen Stockwerk
sprach, geriet ich auf seltsame Weise in Verlegenheit, doch solltet ihr wissen,
daß auch viel weniger Vermögende als ich, ja Spahis mit einem sehr kleinen
Lehen sogar bald in der Lage sein werden, ein Haus mit zwei Stockwerken zu
bauen.
Wir befanden uns in dem Zimmer, das
ich während des Winters als Bilderwerkstatt benutzte. Ich merkte, daß Kara die
Anwesenheit von Şeküre im Nebenzimmer wahrnahm. So kam ich unvermittelt
auf das eigentliche Thema meines Briefes zu sprechen, mit dem ich ihn von
Täbris zurück nach Istanbul geholt hatte.
»Auch ich war dabei, ein Buch
vorzubereiten«, sagte ich, »so wie du gemeinsam mit den Kalligraphen und
Buchmalern in Täbris. Mein Auftraggeber ist Seine Majestät, unser Padischah,
die Grundfeste der Welt. Weil das Buch ein Geheimnis ist, ließ mir unser
Sultan vom Schatzmeister eine geheime Summe Geldes auszahlen. Ich habe mit
jedem einzelnen der besten Buchmaler aus der Bilderwerkstatt unseres
Herrschers eine Abmachung getroffen. Den einen ließ ich einen Hund, den anderen
einen Baum, den nächsten die Randverzierungen und die Wolken am Horizont und
noch einen anderen die Pferde malen. Ich wollte, daß die abzubildenden Dinge
wie die Bilder der venezianischen Meister das ganze Reich unseres Padischahs
darstellen. Sie sollten natürlich nicht das Abbild reichen Besitzes wie bei den
Venezianern sein, sondern den inneren Reichtum, die Freuden wie die Ängste in
der Welt unseres Sultans im Bild wiedergeben. Wenn ich eine Münze malen ließ,
sollte damit das Geld der Verachtung preisgegeben werden; ließ ich Teufel und
Tod darstellen, bedeutete das, daß wir sie fürchten. Was die Gerüchte sagen,
ist mir unbekannt. Ich wollte Seine Majestät, unseren Padischah, und sein
Reich repräsentieren lassen, die Unsterblichkeit der Bäume, die Müdigkeit der
Pferde und die Zudringlichkeit der Hunde. Und meine Buchmaler, Storch, Olive,
Fein und Schmetterling, wie ihre Beinamen lauten, sollten sich je nach Wunsch
ein Motiv auswählen. Selbst in den kältesten, unheilvollsten Nächten kam stets
einer der Buchmaler des Padischahs heimlich zu mir, um vorzuweisen, was er
gemalt hatte.
Was für Bilder wir anfertigten und
warum wir es auf diese Weise taten, kann ich jetzt nicht ganz erklären. Nicht,
weil ich es vor dir verberge oder nicht sagen darf. Mir scheint vielmehr, auch
ich weiß nicht genau, welcher Art die Bilder sein müssen.«
Karas Eintreffen in Istanbul vier
Monate nach meinem Brief an ihn war mir durch den Barbier in jener Straße, in
der unser vormaliges Haus lag, mitgeteilt worden. Daraufhin hatte ich meinen
Neffen zu mir rufen lassen. Ich wußte, daß in dem, was ich sagte, ein
Versprechen von Sorge und Glück zu finden war, das uns aneinanderbinden würde.
»Jedes Bild erzählt eine
Geschichte«, sagte ich. »Der Buchmaler stellt die schönste Szene des Erzählten
dar, um das Buch, das wir lesen, gefälliger zu machen. Die
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