Pandablues: Roman (German Edition)
fachmännisch.
»Du meinst ausgestoßen «, verbesserte ich ihn.
Würde man es merken, wenn man einen depressiven Karpfen aß? Ob sie wohl anders schmeckten?
Jörn verwickelte Karpfenklaus in ein Expertengespräch über depressive Karpfen und über die Folgen von Ausgrenzung und Schmach.
Ein paar andere Kunden, die sich mittlerweile lauschend um Jörn versammelt hatten, und ich hörten gebannt zu.
Jörn erklärte, dass Fische, die in einem zu kleinen Becken gehalten werden, in der Regel Verhaltensstörungen entwickeln. Sie fressen nicht mehr, bewegen sich kaum oder schwimmen den ganzen Tag immer dieselbe Strecke an der Aquarienwand entlang – von links nach rechts und wieder zurück.
»Also nicht krank? «, resümierte Karpfenklaus abschließend Jörns Ausführungen.
Jörn schüttelte den Kopf. »Naamik.«
»Er meint Nein «, schob ich nach.
Karpfenklaus war sichtlich beeindruckt von so viel Fachkenntnis, setzte aber direkt zur Verteidigung an. »Die wern doch sowieso geschlachtet, mein Lieber. Kein Platz für noch größere Becken! Andererseits …«, Karpfenklaus kraulte sich sein fettiges Doppelkinn, »andererseits, wenn se nich fressen, wern se nich fett!«
»Lassen Sie raus, sie werden fressen!«, erklärte Jörn weiter.
Jörn schien voll in seinem Element und fischte nach einem apathischen Karpfen, der unbeweglich am Beckenrand auf der Stelle herumdümpelte. Mit einer schwungvollen Handbewegung schnappte er ihn, warf ihn in die Luft und fing ihn mit beiden Händen wieder auf, um ihn dann in das größere Becken zu den anderen zu werfen. Der Karpfen, der eben noch kaum beweglich vor sich hingesiecht hatte, schwamm wie von der Tarantel gestochen im großen Becken zwischen den anderen her.
»Unglaublich!«, befand selbst Karpfenklaus.
»Wir nehmen zwei zum Preis von einem!«
So eine Gelegenheit muss ich doch ausnutzen!
»Für die karikative Aktion hier!«
Der Karpfenklaus widersprach nicht und fischte uns zwei prächtige Exemplare heraus.
Ich war mir nicht sicher, ob der eine nicht doch der eben noch depressive Karpfen war, sagte aber nichts. Man würde es sicher nicht schmecken.
*
»Hier!« Melitta reichte mir einen dicken Holzhammer. »Die brauchen einen kräftigen Schlag auf den Kopf!« Oma Beutel bestand darauf, die Karpfen zu Hause zu erledigen, dann seien sie »viel frischer«. Mir waren solche Szenen nicht geheuer, viel zu brutal. Essen konnte ich zwar so ziemlich alles, aber nicht eigenhändig umbringen.
»Nein, das kann ich nicht!«, weigerte ich mich kopfschüttelnd. »Auf keinen Fall!«
Tante Marlene hatte beim Anblick des Eimers fluchtartig den Raum verlassen. Als erwiesene Greenpeace-Aktivistin wollte sie das grausame Fischmorden natürlich nicht mitansehen. Jürgen fand es weniger schlimm, musste aber mit, schließlich konnte er sich eine Ehekrise am Weihnachtstag nicht leisten.
Jörn nahm mich beiseite und flüsterte mir ins Ohr: »Nicht sorgen, ich betäube!«
Mit den Worten nahm er den ersten Karpfen aus dem eigens vom Karpfenklaus zur Verfügung gestellten Eimer und hielt ihm die Augen zu. Leise murmelte er wieder seine unverständlichen Worte.
Ist der fiese Tierkiller am Ende ein sanfter Fischflüsterer?
»Ist er nicht toll?«, sagte Renate und strahlte in die Schlachterrunde.
Stolz streichelte sie Jörn über den Rücken, während dieser langsam seine Hand von den Karpfenaugen entfernte.
Still und stumm lag der Karpfen da.
»Betäubt.«
»Wie macht er das nur?«, wollten jetzt auch Till und Tom wissen. »Geht das auch mit streitsüchtigen Frauen?«
»Till!«
»Tom!«
»Los jetzt, hau drauf!«, feuerte Melitta mich an.
»Nein, nein! Ich kann nicht, mir wird schlecht!« Widerwillig schüttelte ich den Kopf und ließ den Holzhammer krachend in die Spüle fallen.
»Ach was, ihr zimperlichen Stadtmenschen! Wir mussten damals ganz Deutschland wieder aufbauen! Da hat uns auch keiner Watte untern Hintern geschoben!«, krakeelte Melitta und nahm den Hammer aus der Spüle. Rumps! Mit einem dumpfen Geräusch erledigte sie den Karpfen mit nur einem gezielten Schlag. »So, wer kommt als Nächstes?«
Reflexartig wichen alle einen Schritt zurück, als Oma Melitta in perfekter Schlachtermanier mit hochgekrempelten Ärmeln, den Hammer in der einen Hand, den toten Fisch in der anderen, in die Runde blickte.
»Der Depressive!«, brach ich panisch die angsterfüllte Stille, als fürchtete ich, sonst selbst ins Fadenkreuz zu kommen.
»Was?« Melitta schien irritiert zu
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