Pandablues: Roman (German Edition)
sein.
»Ich meine, der Karpfen ist depressiv, weil er weiß, dass er bald sterben muss!«
Einen depressiven Karpfen hätte man im Beutel’schen Haushalt nicht verzehrt, das war wohl mal klar.
»Ach so. Na dann gib mal her, die Mistkrücke!«, forderte Melitta lautstark.
Der arme gerade eben geheilte Karpfen. Erst kam der Fischflüsterer und versprach Heilung, und dann kam die Schlachtersfrau mit dem Holzhammer.
Wie im wahren Leben.
*
Den Weihnachtsbaum musste natürlich auch ich schmücken. Ich wurde stundenlang mit diversen Kugeln in ausgestreckter Hand roboterartig nach »links, rechts, nein, besser links, rechts, rechts, li-hinks, höher, tiefer, tiefer, viel tiefer, nein, höher« kommandiert, aber ich kannte das ja bereits.
Nach drei anstrengenden Stunden und gefühlten achttausend Imperativen war es vollbracht. Jedes einzelne Teil, ja sogar jedes Lamettafädchen hatte seinen ihm eigens zugeteilten Platz »oben links, unten rechts, vorne, weiter hinten, zurück nach vorne, links, nee, doch zurück, nee, tiefer hinten« erhalten. Ich war dermaßen erledigt, als hätte ich gerade einen Fünfkampf hinter mich gebracht.
Schwitzend warf ich mich aufs Sofa.
»Das hast du aber toll gemacht«, witzelte Eric.
»Ja, das muss man sagen, Erich, da hast du recht«, meinte auch Melitta.
Karpfen und Baum waren erledigt – nun würde der angenehme Teil des Abends folgen.
*
Das Abendessen lief recht harmonisch ab.
Melitta bemerkte zwar einen »leicht verstimmten Geschmack« beim zweiten Karpfen, mokierte sich aber nicht weiter darüber.
Zur Bescherung verteilte Jörn seltsame grönländische Geschenke an alle (zum Beispiel mehrere Portionen getrockneten Grönland-Hais namens Hákarl, der, bevor er überhaupt gefahrlos verzehrt werden konnte, mehrere Monate in Erde und Sand eingegraben eine Art Fermentationsprozess durchlaufen musste, da er keine Nieren hatte, also keine Körperfunktion, die für die Ausscheidung der Harnstoffe sorgte, und Oma Melitta die üblichen QVC-Heizdecken, Rückenkratzer und Nackenhörnchen, die sie uns freudestrahlend überreichte.
Eric bedankte sich höflich für die Carmen-Nebel-Weihnachtsedition.
Ich war mächtig stolz auf ihn und fand, dass sogar Jörn gut in unsere Familie passte: ein wenig verschroben, mit zahlreichen seltsamen Talenten gesegnet und sehr liebevoll im Umgang mit Matti, die er konsequent mit dem mitgebrachten Brown Ale Greenland abfüllte.
Die jedes Jahr von Tante Marlene verteilten Mitgliedschaftsanträge von Greenpeace wurden wie immer höflich ignoriert und heimlich unter den Inhalt des Altpapier-Geschenke-Kartons geschmuggelt.
Till und Tom hatten es sich wie immer leicht gemacht und verschenkten diverse Tiertrainings (niemand im Raum hatte Haustiere) sowie Gutscheine für Heckenbeschneidungen (niemand im Raum besaß Hecken).
»Und, freust du dich?«, fragte mein Bruder Tom mich.
»Ich habe zwar keine Hecke«, antwortete ich gelassen, »aber wenn ich eine hätte, wäre ich aus dem Häuschen.«
»Sicher?«, klinkte sich jetzt auch Till ein, und beide begannen prustend zu lachen.
Brüder an Weihnachten waren eine Strafe für sich.
Jürgen war zwischendurch immer mal wieder verschwunden, und ich war ziemlich sicher, dass er sich in der Fleisch- und Wurstvorratskammer von Melitta bediente, ohne dass Tante Marlene etwas merkte.
Eric freute sich über meine »vernünftige« Auswahl und den zusätzlichen furzenden Kugelschreiber.
Zum Schluss blieben nur noch Finns und Elmos Geschenke, die es auszupacken galt, und das von Eric.
Gespannt öffnete ich zuerst Finns Paket, auf dem Tscharlottäh stand. Mit ein wenig Hilfe konnte er sogar schon ein bisschen schreiben; ein echtes Wunderkind. Ein selbstgeknetetes, recht verkrüppelt wirkendes Fango-Männchen strahlte mich einäugig grinsend an. Es erinnerte stark an Der Glöckner von Notre Dame , ebenso untersetzt und mit krummem Rücken. Eine Karte lag bei:
Liebe Charlotte,
Finn hat das Fango-Männchen einer echten Person nachempfunden: Dir! Er hat sich wirklich sehr viel Mühe gegeben und lässt Dir ausrichten, dass er findet, er habe Dich gut getroffen. Finden Paul und ich übrigens auch!
Frohe Weihnachten wünschen Finn, Elmo, Trine & Paul
Also, wenn das Finns Vorstellung von seiner Patentante ist …!
Da musste ich erst mal einen großen Schluck Eierlikör drauf nehmen.
Mannmannmann!
Ich konnte mich erinnern, dass Trine wegen Rückenbeschwerden erst vor Kurzem eine Fango-Behandlung bekommen hatte, und jetzt
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