Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
du sehen, was Jackon gesehen hat.«
»Wer sagt mir, dass das keine gefälschte Erinnerung ist?«, fragte Umbra schroff.
»Ich hatte meine Rache. Ich habe kein Interesse daran, dir zu schaden. Aber wenn du mir nicht glaubst, stecke ich die Phiole eben wieder in die Kiste, es ist ja auch nicht so wichtig...«
Umbra riss ihr das Fläschchen aus den Krallenfingern, entfernte den Korken und trank den Inhalt in einem Zug.
»Durch das Duplizieren ist die Erinnerung stark verdünnt«, sagte Mama Ogda. »Aber wenn du dich konzentrierst, solltest du im Stande sein, alles zu erkennen.«
Schwindel überkam Umbra. Wenn dies eine verdünnte Erinnerung war, wollte sie nicht wissen, wie sich eine hochkonzentrierte anfühlte. Sie hielt sich an einem Dachbalken fest, doch als die fremden Sinneseindrücke immer heftiger auf sie einströmten, musste sie sich setzen.
Ihr war, als stecke ihr Bewusstsein in einem anderen Körper. Ihr Gefühl sagte ihr, dass die Person, aus deren Augen sie blickte und deren Erinnerungen sie miterlebte, kein Mensch war.
Bei allen Dämonen, ich bin ein Schattenwesen!
Sie stand in einer Bibliothek, und nach wenigen Sekunden wurde ihr klar, dass es sich um die Bibliothek des Palastes handelte. Lady Sarka war da und redete mit ihr. Umbra konnte die Worte nicht verstehen, aber Lady Sarkas Lippen formten eindeutig die Silben
Ma-lu-mo.
Die Erinnerung verschwamm wie eine trügerische Luftspiegelung in der Sommerhitze. Als die Bilder wieder klarer wurden, schritt Umbra durch die Gassen des Rattennests — durch ein
älteres
Rattennest. Die mächtigen Sklavenhallen hatten sich noch nicht in die Schrottpaläste der Lumpenbarone verwandelt, und nirgendwo ließen sich Soldaten der Stadtmiliz blicken. Es war das Rattennest der Clans, das Viertel von Umbras Vergangenheit.
Sie hielt den Atem an, als das Schattenwesen zu dem Hotel an der Stirnseite des großen Platzes ging, das Heim der Malumos — Umbras Zuhause. Es sah genauso aus wie in ihren Erinnerungen: sauber, prächtig, Ehrfurcht gebietend, ohne Spuren des Feuers, das es zerstört hatte. Der Anblick riss alte Wunden auf, und der Schmerz, der sie durchzuckte, war so intensiv, dass sie sich wünschte, das Schattenwesen würde weitergehen. Doch es blieb in einem dunklen Winkel stehen, beohachtete das Tor des Hotels und wartete.
Irgendwann trat ein junger Mann heraus.
»Lumisco«, flüsterte Umbra mit vor Trauer erstickter Stimme.
Ihr Cousin schlenderte über den Platz, rief den fliegenden Händlern fröhliche Grüße zu und stapfte mit einem Lächeln auf den Lippen durch die Menge. Das Schattenwesen blickte ihm nach, und Umbra spürte, wie es sich Lumisco genau einprägte, sein Gesicht, seine Körperhaltung, seine Art zu gehen.
Eine neue Erinnerung löste die vorherige ab. Das Schattenwesen stand vor einem Spiegel, und Umbra erblickte ein unauffälliges Männergesicht mit Bartstoppeln, einem Hemdkragen und kurzem, strähnigem Haar. Dann veränderte das Schattenwesen sein Aussehen so lange, bis es Lumisco aufs Haar glich.
Ein Doppelgänger!,
durchfuhr es Umbra, ehe ihr ein anderer, verwirrender Gedanke kam:
Er hat Lady Sarka gedient. Was ist aus dem Geschöpf geworden? Und wieso hat sie ihn nicht erwähnt, als sie mich damit beauftragt hat, einen neuen Doppelgänger für sie zu finden?
Abermals veränderte sich die Erinnerung. Der Doppelgänger eilte durch halbdunkle Flure. Fackellicht flackerte in den Durchgängen. Umbra hörte fernes Geschrei. Eine Gestalt tauchte aus dem Zwielicht auf. Der Doppelgänger schoss auf sie, und als sie mit zerfetztem Bauch zu Boden ging, erkannte Umbra Balthus Dyne, den ältesten Sohn von Elder Dyne und genau wie sein Vater und alle anderen Dynes ein Todfeind der Familie Malumo. Der Doppelgänger rannte weiter, warf die Pistole fort und zückte einen Dolch, mit dem er zwei weitere Dynes niederstach, bevor er von einer Pistolenkugel getroffen wurde und voller Schmerzen aus einem Fenster sprang.
Hier endete die destillierte Erinnerung.
Umbra wachte aus der Trance auf. Sie lag auf dem Boden und blickte zum morschen Dachgebälk auf. Tränen rannen ihr über das Gesicht.
Jackon hatte Recht — Lady Sarka steckt dahinter. Sie ist schuld daran, dass alle umgebracht wurden, Vater, Onkel Degory, Lumisco und die anderen.
Diese Hure.
Es war so simpel, so offensichtlich, dass sie sich fragte, warum sie nicht längst von selbst darauf gekommen war. Im ersten Jahr ihrer Herrschaft waren die mächtigen und einflussreichen Clans der
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