Pandaglueck
Als ich endlich beim Pandagehege ankomme, erblicke ich sofort Yun-Yun und Mao-Mao, die sich im Außengehege befinden und faul in der Sonne liegen. Meine Kollegin finde ich in Gesellschaft von unserem Chef im Innengehege.
„ Tut mir so leid, dass ich zu spät bin“, setze ich an, als ich die beiden erreiche. Es schlägt mir sogleich in den Magen, als ich Gretas Gesicht sehe. Sie hat mich in den drei Jahren, die ich sie kenne, noch nie so ernst angeschaut. Irgendetwas muss passiert sein.
Mein Chef sieht nicht besser aus. Da ich Yun-Yun und Mao-Mao vor zwei Minuten drauß en gesehen habe, geht es den Pandas zumindest gut.
„ Was ist los?“, frage ich besorgt, als sich beide stumm anstarren.
„ Lara“, setzt Greta an, Robert unterbricht sie aber.
„ Wir haben, ähm … ein kleines Problem.“ Ich blicke ihn verwirrt an. Nach einem kleinen Problem sieht das nicht aus. Jegliche gute Laune, die ich vor fünf Minuten verspürte, ist mit einem Mal verpufft.
„ Ein Problem?“, frage ich direkt nach. Er nickt.
„ Ja. Die Chinesen schicken eine Delegation in den nächsten Wochen, um den Vertrag für Mao-Mao und Yun-Yun neu zu verhandeln“, fügt Greta hinzu. „Die vereinbarten zehn Jahre laufen bald aus.“
„ Ja, aber wir erneuern den Vertrag doch einfach, oder?“, frage ich mit weit aufgerissen Augen.
Robert seufzt. „ Ich würde nichts lieber als genau das tun.“
„ Aber?“, hake ich nach, denn das hört sich nach einem „aber“ an, das folgt. Mein Herz schlägt mir wild in der Brust.
„ Aber ich weiß nicht, ob wir den Vertrag zum Unterzeichnen überhaupt vorgelegt bekommen. Unsere Finanzen sind momentan nicht die Besten.“ Ich spüre, wie sich ein immens dicker Kloß in meinem Hals bildet. Ich bin schockiert. Mehr als schockiert! Ich habe die Befürchtung, dass mein Herz jeden Moment die Arbeit einstellt.
„ Dann verzichte ich auf mein Gehalt!“ sprudle ich hervor. „Und Greta auch!“ Sobald die Worte über meine Lippen gekommen sind, sieht mich meine Kollegin entgeistert an.
„ Lara, das ist sehr großzügig von dir, aber ich glaube kaum, dass das ausreicht.“
„ Was ist mit der Stadt? Oder dem Land? Geben die uns keine Zuschüsse?“
„ Genau das bleibt abzuwarten. Wir bekommen Zuschüsse, aber wir müssen eine gewisse Liquidität aufweisen, um den Vertrag überhaupt unterzeichnen zu können. Der Bau der Seehundarena hat ein riesiges Loch in unsere derzeitige finanzielle Lage gerissen. Die hohen Kredite, die wir dafür aufnehmen mussten, sind an sich kein Problem, aber unsere Finanzen werden dadurch bei den Neuverhandlungen nicht besonders gut aussehen.“ Wir sehen uns für eine Weile schweigend an. „Hör zu, ich bemühe mich, eine Lösung zu finden. Es sieht momentan nicht gut aus. Die Einnahmen sind nicht, wie man es sich gerne wünscht. Es ist noch nichts verloren, aber für den Fall der Fälle wollte ich dich …“ – er holt tief Luft – „Ich wollte dich und Greta so früh wie möglich informieren. Ich weiß, wie sehr euch die Pandas am Herzen liegen.“ Ich versuche, immer wieder krampfhaft den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. Meine Pandabären werden eventuell den Zoo verlassen müssen. Ich bin so schockiert, dass mir nicht einmal Tränen in die Augen steigen. So eine große Verzweiflung habe ich noch nie gespürt. Da war die verlorene Nummer von Alex ein Klacks dagegen. Es muss irgendetwas geben, das ich tun kann.
„ Danke, Robert. Ich weiß das zu schätzen“, sage ich und stehe bedröppelt neben Greta. Ich habe wahrscheinlich genau den gleichen Gesichtsausdruck im Gesicht, wie sie. Mein Chef klopft mir aufmunternd auf die Schulter und verlässt mit einem traurigen Nicken das Gehege.
„ Was machen wir denn jetzt?“, flüstere ich Greta zu.
„ Ich habe keine Ahnung“, erwidert sie mutlos. Sie ist normalerweise der lebendig gewordene Optimismus. Wenn selbst sie keine Idee hat und positive Stimmung verströmt, ist die Situation aussichtslos.
„ Ich will nicht zu den fiesen kleinen Äffchen“, murmle ich und spüre, wie mir die Tränen in die Augen schießen.
„ Glaubst du etwa, ich will zu den kleinen fiesen Äffchen? Yun-Yun und Mao-Mao sind wie Familie.“ Wie kann das nur passiert sein? Heute Morgen hätte ich schwören können, dass nichts meine Stimmung trüben kann! Jetzt bin ich glücklich und zufrieden mit meinem Leben. Das kann nicht wahr sein! Das Entsetzen und die Traurigkeit über Roberts Nachricht weichen blanker Wut über mein
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