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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Warten, die kleinen Störaktionen und Proteste satt.
    Und daher die Zwischenfälle: Sprengsätze in Gefängnissen, Rathäusern und Regierungsgebäuden im ganzen Land.
    Sarah, die vorausgelaufen ist, kommt zu mir zurück. »Was meinst du, was mit Tack und Hunter passiert ist?«, fragt sie. »Meinst du, sie kommen klar? Meinst du, sie werden uns finden?«
    »Pssst«, zische ich ihr zu. Raven geht vor uns und ich hebe den Blick, um zu sehen, ob sie das gehört hat. »Mach dir keine Sorgen deswegen. Tack und Hunter können auf sich selbst aufpassen.«
    »Aber was ist mit Squirrel und Grandma? Meinst du, sie haben es rausgeschafft?«
    Ich muss an die enorme Explosion denken, an die Steine und Erde, die nach innen geschossen kamen, an all das Geschrei und den Rauch. Überall war so viel Lärm, so viel Feuer. Ich suche nach einer Erinnerung an Squirrel und Grandma, ein Bild von ihnen, wie sie in den Wald gerannt sind, aber ich finde nichts als Umrisse, Geschrei und gebrüllte Anweisungen, Leute, die sich in Rauch verwandeln.
    »Du fragst zu viel«, erkläre ich. »Du solltest mit deinen Kräften haushalten.«
    Sarah ist bisher wie ein Hund getrottet. Jetzt geht sie langsamer. »Werden wir sterben?«, fragt sie ernst.
    »Red keinen Unsinn. Ihr seid doch früher schon umgezogen.«
    »Aber die Leute hinter dem Zaun …« Sie beißt sich auf die Lippe. »Sie wollen uns umbringen, nicht wahr?«
    Ich spüre, wie sich etwas in mir verhärtet, tiefer Hass durchfährt mich. Ich lege ihr eine Hand auf den Kopf. »Sie haben uns aber nicht erwischt«, sage ich und stelle mir vor, wie ich eines Tages mit einem Flugzeug über Portland und Rochester und alle eingezäunten Städte im ganzen Land fliege und Bomben über Bomben abwerfe und zusehe, wie alle Häuser zu Asche verbrennen und alle Menschen in den Flammen zerschmelzen und vergehen – mal sehen, wie ihnen das gefällt.
    Wenn ihr uns etwas nehmt, holen wir es uns wieder. Bestehlt uns und wir rauben euch rückhaltlos aus. Drückt ihr zu, schlagen wir zurück.
    So funktioniert die Welt inzwischen.
    Kurz vor Mitternacht des dritten Tages erreichen wir das erste Lager, nachdem es im letzten Moment noch eine Unsicherheit gibt, ob es an dem großen umgekippten Baum, der die Wurzeln in die Luft streckt und den Roach mit einem roten Halstuch markiert hat, nach Westen oder Osten weitergeht. Wir marschieren eine Stunde lang in die falsche Richtung und müssen dann umkehren, aber als wir dann die kleine Steinpyramide entdecken, die Roach und Buck aufgetürmt haben, um die Stelle zu kennzeichnen, an der die Lebensmittel vergraben sind, herrscht allgemeine Begeisterung. Wir rennen brüllend und voller frischer Energie die letzten fünfzehn Meter bis zu der kleinen Lichtung.
    Eigentlich hatten wir vor, hier nur einen, höchstens zwei Tage zu kampieren, aber Raven meint, wir sollten länger bleiben und versuchen zu fangen, was wir können. Es wird kälter und damit immer schwieriger, kleine Wildtiere zu finden, und wir haben nicht genug Essen für den ganzen Weg nach Süden.
    Jetzt ist es auch sicher, die Zelte aufzubauen. Eine Weile lang können wir vergessen, dass wir auf der Flucht sind, vergessen, dass wir Mitglieder unserer Gruppe verloren haben, vergessen, dass wir so viele Vorräte im Stützpunkt zurücklassen mussten. Wir machen ein Feuer; dann sitzen wir in seinem Schein, wärmen unsere Hände und erzählen uns Geschichten, um uns von der Kälte und dem Hunger abzulenken und von der Luft, die nach Schnee riecht.

jetzt
    E
rzähl mir eine Geschichte.«
    »Was?« Julians Stimme erschreckt mich. Er hat seit Stunden schweigend dagesessen. Ich bin erneut auf und ab gegangen und habe an Raven und Tack gedacht. Sind sie bei dem Zwischenfall entkommen? Glauben sie, ich sei verletzt oder getötet worden? Werden sie nach mir suchen?
    »Ich habe gesagt, erzähl mir eine Geschichte.« Er sitzt im Schneidersitz auf der Pritsche. Mir ist aufgefallen, dass er stundenlang mit halb geschlossenen Augen so dasitzen kann, als würde er meditieren. Seine Ruhe geht mir langsam auf die Nerven. »Dann vergeht die Zeit schneller«, fügt er hinzu.
    Ein neuer Tag, weitere sich dahinschleppende Stunden. Das Licht ist wieder an und heute Morgen gab es erneut Frühstück (wieder Brot, wieder luftgetrocknetes Fleisch, wieder Wasser). Diesmal hatte ich mich fest auf den Boden gepresst und habe einen Blick auf eine dunkle Hose und schwere Stiefel erhascht. Eine bellende Männerstimme forderte mich dazu auf, das alte

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