Pandoras Kuss
die richtigen Fragen zu stellen.
Doch genau das hatte ich in meinem eigenen Fall nicht getan.
Statt mir ein Bild vom großen Ganzen zu machen, hatte ich mich solange von allen möglichen Ängsten, Befürchtungen und unwichtigen Details ablenken lassen, bis ich sozusagen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr hatte sehen können. Ich hatte stets nach Mustern im Chaos gesucht. Dabei bildeten Muster gar nicht das Problem. Das Problem bildete die Perspektive von der aus frau sich diese Muster betrachtete. Ich war mir sicher, gerade hatte ich endlich die richtige Perspektive gefunden.
Ich musste zehn Minuten oder länger regungslos in meinem Wohnzimmer gestanden haben, bis ich sicher war, diesmal wirklich auf der richtigen Spur zu sein.
Immer noch klingelte mein Telefon.
Und immer noch schellte es an der Tür.
Ich machte eine Kehrtwendung , ging ins Schlafzimmer, zog mir Jeans und T-Shirt über und schlüpfte in ein Paar Turnschuhe.
Dann rief ich meinen Vater an.
Der Beginn unseres Gesprächs fiel definitiv unter die Kategorie heikel. Doch nach zehn Minuten hatte ich erfahren, was ich wissen wollte.
So einige bisher nicht zuzuordnende Puzzlesteine fielen plötzlich an ihren Platz.
Ich tätigte einen weiteren Anruf.
Er dauerte etwas länger.
Doch als ich das Gespräch beendete, hatte ich auch diesmal wieder erfahren, was ich wissen wollte.
Ich griff mir die Wagenschlüssel und verließ die Wohnung.
Vor meinem Haus lungerten zwei Männer und eine Frau herum. Alle drei stürzten sich mit klickenden Kameras und scharf geschalteten Mikrofonen auf mich, sobald ich durch die Haustür trat.
Ich lief ihnen einfach davon zu meinem Wagen, startete und raste die Straße herab.
Zwei Wagen folgten mir zwar aber ich hatte Heimvorteil. Es dauerte zweiundzwanzig Minuten bis ich sie abgehängt hatte.
5 6.
Monsieur Egoyan war so höflich und zuvorkommend wie immer, als ich an seiner Tür läutete und ihn um ein Gespräch unter vier Augen bat.
Er führte mich in sein Arbeitszimmer und schloss hinter uns die Tür.
Ich ging ein Risiko ein, indem ich mit ihm sprach. Aber ich fand auch, ich hatte ein bisschen Glück nötig. Und wer nicht ab und zu sein Glück versuchte, der hatte es auch nicht verdient, falls es ihm dann schon mal zulächelte.
Nachdem ich erfahren hatte, was ich wissen wollte, bedankte ich mich bei Monsieur Egoyan, entschuldigte mich noch einmal dafür , ihn am Wochenende gestört zu haben und fuhr anschließend zu einem Bar-Tabac, wo ich einen Kaffee trank und mir Ausgaben sämtliche großen Zeitungen einschließlich zweier Lokalblätter kaufte. Zuletzt hielt ich bei einem Bäcker und kaufte zwei große, frische Baguettes. Dann fuhr ich nach Hause zurück.
Die Reporter vor meiner Haustür hatten sich verdoppelt.
Schon bemerkenswert. Vor einer Woche hatte ich auf Bellots Schrottplatz im Dienst der guten Sache mein Leben riskiert und wurde für eine Tapferkeitsauszeichnung in Betracht gezogen aber schaffte es damit gerade mal in die Abendausgabe der Lokalnachrichten.
Gestern Abend hatte ich mir in einer Nobelbar mit einer Dreiviertelmilliardärin ein paar Cocktails und Champagner genehmigt und schon war Marie Colbert landesweit auf Sendung.
Irgendwo stimmte da irgendetwas am Verhältnis nicht.
Sechs, sieben Männer und Frauen stürzten aus ihren geparkten Wagen , sowie ich in meine Straße einbog. Ich parkte, stieg aus und ging mit den Baguettes und den Zeitungen im Arm auf die Haustür zu.
Rundum klickten Kameras. Aus sämtlichen Richtungen streckte man mir Mikrofone entgegen.
„Wie ist Ihr Verhältnis zu Amelie?“
„Haben Sie vor, Ihr Verhältnis offiziell zu machen, Mademoiselle?“
„Existiert bereits ein Verlobungstermin?“
„Glauben Sie, dass Ihr Verhältnis zu Amelie die Berufung Ihres Vaters auf den Präfektenposten in Paris beeinflusst?“
„Wann sehen Sie Amelie wieder?“
Ich ignorierte die Fragen, lief einfach weiter zur Tür, tippte den Sicherheitscode ein und rannte dann die Treppen hinauf zu meiner Wohnung.
Dort machte ich mir in der Küche ein Omelette und sah, während ich es aß, die Zeitungen durch.
Amelie und ich waren selbst in den Gesellschaftsspalten der meisten seriösen Blätter vertreten.
Aber in einem Klatschblatt stand auch man hätte von Quellen aus meinem persönlichen Umfeld erfahren, dass mein Verhältnis zu Amelie bereits einige Zeit andauerte. So hätte sie mich zum Beispiel „mehrmals auf meiner Dienststelle aufgesucht“.
Da
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