Pandoras Tochter
den Motor. »Wir sind schon ein ganzes Stück weg, bis die jemanden vom Haupthaus hergeschickt haben.« Sein Telefon klingelte, und er nahm den Anruf entgegen. »Wir sind im Aufbruch, Harley. Seht zu, dass ihr, du und Renata, auch schnell wegkommt.« Er hörte einen Moment zu. »Okay, wir melden uns bei ihr.« Er unterbrach die Verbindung. »Renata ist der Schwester gefolgt, die aus dem Nebengebäude gestürmt war. Ihr kam es komisch vor, dass die Frau eine so große Eile und ihr Wagen keine Klinik-Parkscheibe im Fenster hatte. Deshalb hat sie Harley angerufen und gebeten, in Kontakt zu bleiben.«
»Hat Harley Darnell oder einen von Molinos Männern aufgespürt?«
Grady schüttelte den Kopf. »Aber er hat einen Truck gefunden, auf den die Beschreibung passt. Darnell könnte Phillip in einem Krankenwagen abtransportiert haben, um keinen unnötigen Verdacht zu erregen; deshalb musste er seinen Truck hier stehen lassen. Harley untersucht ihn gerade auf Spuren.«
»Wenn Darnell so schlau ist, wie du sagst, dann hat er keine verwertbaren Hinweise hinterlassen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Man kann nie wissen. Wenigstens haben wir zwei Verbindungen zu Molino, die wir vorher noch nicht hatten.«
»Falls Renata diese Schwester nicht aus den Augen verliert.«
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich Renata leicht abschütteln lässt«, erwiderte Grady trocken. »Ruf sie an.«
»Danach.« Sie wählte 911. »Zuerst die Patienten.«
Er nickte. »Unbedingt – zuerst die Patienten.«
Renatas Mobiltelefon schaltete sofort zur Mailbox. Megan versuchte es noch drei weitere Male – ohne Erfolg. »Sie hat ihr Handy ausgeschaltet.« Megan biss sich auf die Lippe. »Oder ein anderer hat es für sie getan.«
»Die Schwester?«
»Wenn sie für Molino arbeitet, könnte sie genauso skrupellos sein wie er. Sonst würde sie nicht danebenstehen und zusehen, wie drei Menschen abgeschlachtet werden!«
»Ich glaube nicht, dass sie Renata ausschalten konnte. Nach allem, was Harley erzählt, hat Renata außergewöhnliche Fähigkeiten.«
Megan wählte wieder. »Renata ist verwundet und weiß nicht mit Gewissheit, dass die Schwester … Sie nimmt ab. Gott sei Dank. Bis du okay, Renata?«
»Mir geht’s prima«, antwortete Renata. »Ich war nur ein bisschen beschäftigt. War es eine Falle?«
»Ja. Dr. Gardner, die Oberschwester Madge Holloway und Jordan, der Leibwächter, sind ermordet worden. Phillip ist weg. Molino hat ihn. Die Frau, der du gefolgt bist, ist keine Krankenschwester.«
»Darauf bin ich auch schon gekommen. Ich weiß sogar noch etwas mehr. Ihr Name ist Hedda Kipler. Sie arbeitet für Molino und scheint ihm in Sachen Brutalität in nichts nachzustehen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich hab doch gesagt, dass ich zu tun hatte. Wir sind hier in einem Motelzimmer im Fairfield Inn am Highway 40. Kommt her und holt sie.«
»Wir sind schon auf dem Weg.«
»Lasst euch Zeit. Wir haben ein hübsches Plauderstündchen, stimmt’s, Hedda?«
Megan legte auf und wandte sich Grady zu. »Fairfield Inn am Highway 40. Sie sagte, wir müssten uns nicht beeilen, allerdings bin ich mir da nicht so sicher.«
»Warum?«
»Sie kennt bereits den echten Namen der Frau. Ich weiß nicht, wie viel Cousin Mark Renata über Verhörmethoden beigebracht hat.«
Das Erste, was Megan sah, als Renata die Tür öffnete, war Hedda Kipler, die mit einer Vorhangkordel an einen Stuhl gefesselt war. Sie hatte einen Knebel im Mund, und ihr Gesicht war blutig und geschwollen.
Megan sah Renata mit gerunzelter Stirn an. »Renata?«
»Ich hab ihr das nicht zugefügt, nachdem ich sie wie einen Truthahn zusammengeschnürt habe«, beteuerte sie hastig. »Sie hat sich auf mich gestürzt, als ich hier vor dem Motel aus dem Auto gestiegen bin. Ich musste mich wehren.« Sie verzog das Gesicht. »Sie hat auch ein paar Treffer gelandet. Du wirst meine Wunde an der Schulter noch mal nähen müssen.«
Erst jetzt entdeckte Megan den Blutfleck an Renatas Schulter. »Die Nähte sind aufgerissen. Setz dich, ich kümmere mich darum.«
»Nicht jetzt«, entschied Grady. »Erst müssen wir mehr über Molinos Anweisungen erfahren, ehe er dahinterkommt, dass wir sie in unserer Gewalt haben.« Er sah Renata an. »Wie viel haben Sie aus ihr herausbekommen?«
»Ich muss Renatas Wunde versorgen«, warf Megan ein. »Und sie sagte, sie hätte sich lediglich verteidigt.«
»Na ja, ich könnte mir denken, dass sie nicht ganz so unschuldig ist – hab ich recht,
Weitere Kostenlose Bücher