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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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wäre das lästige Gewicht gerne los gewesen, aber er hatte das Gefühl, dass er sie noch brauchen würde. Nur wenn er die Bombe ins Zentrum der Gon brachte und seinen Auftrag erfüllte, durfte er zurück nach Sar-Han. Zurück zu Eyla. Vielleicht zurück nach Hause. Zurück in seine Zeit.
    Sariel erhob sich und marschierte weiter. Er wusste nicht, wie viele Kilometer er am Tag schaffte oder in den vergangenen drei Tagen geschafft hatte. Schon gar nicht, wie viele noch vor ihm lagen. Er wusste nur, dass er bald Wasser finden musste.
    Wasser finden.
    Der nächste Schritt.
    Wasser finden. Wasser finden. Wasser finden.
    Ein kleiner Rhythmus entstand. Sariel passte seine Schritte an und sang die beiden Worte leise vor sich hin. Ein Lied wie jenes, das ihn durch die Menschenmassen beim Kirschblütenfest geleitet und in die ferne Zukunft gelockt hatte. Und genau wie bei jenem fremdartigen Lied damals wurde ihm bei seinem kleinen WasserfindenLied plötzlich klar: Nicht er sang das Lied - das Lied sang durch ihn. Das Lied führte ihn zum Wasser!
    Sariel beschleunigte seine Schritte oder ging langsamer, wenn das Lied es verlangte. Schritt war nicht gleich Schritt. Manche waren kürzer, manche länger, manchmal musste er seine Richtung geringfügig ändern.
    Waaasssser. Fiiiinden.
    Ein verborgener Sinn lag hinter diesem Rhythmus. Sariel ahnte, dass er einen falschen Weg nehmen würde, wenn er sich ihm nicht anpasste.
    Die Anstrengung machte ihm nichts mehr aus. Sein Puls ging hoch, sein Atem schwer, und dennoch fühlte er sich wieder voller Kraft. Das Zeitgefühl verließ ihn, er vertraute dem Lied, das ihn durch das steinige Rifftal führte.
    Um dann abzubrechen.
    Sariel blieb stehen wie betäubt. Das Lied hatte abrupt aufgehört, als hätte jemand den Player ausgeschaltet. Sariel blickte sich um und sah nur steile Felswände zu beiden Seiten emporragen. Vor ihm verengte sich das Hochtal und stieg jetzt deutlich an. Der Boden ringsum mit dem Geröll der gesprengten Felsen bedeckt. Kein Hinweis auf Wasser. Keine Pflanze, kein Kraut, nicht einmal ein einzelner vertrockneter Grashalm. Nur Felsen, Geröll, Steine, von denen ein paar kleinere die Felswand herunterrieselten. Sariel blickte auf zu der Felswand, von der sich mehr Steinchen lösten und herabrollten. Bald waren es vereinzelt auch faustgroße Brocken, sodass er ausweichen musste, um nicht getroffen zu werden. Unter seinen Fußsohlen spürte er eine leichte Vibration, begleitet von einem dumpfen Grollen, das wie ein fernes Gewitter von irgendwo anrollte. Mehr ein Magengefühl als ein Geräusch.
    Die Anzeichen waren unmissverständlich. Etwas bahnte sich an. Der Himmel spannte sich klar und strahlend blau über dem Gebirge. Nicht die Spur eines Unwetters zu erkennen. Aber Sariel wusste bereits Bescheid. Er hatte bei einem Verwandtenbesuch in Shanghai einmal ein Erdbeben der Stärke 6,5 erlebt. Schwere, dumpfe Stöße aus dem Innern der Erde, die die ganze Stadt erschüttert hatten. Nach zwei Minuten war alles vorbei gewesen, sämtliche Gebäude hatten das Beben unbeschadet überstanden, aber Sariel erinnerte sich noch gut an das unheimliche Gefühl, das dem Beben vorausging. Eine seiner kleinen Vorahnungen. Nicht mehr als ein dumpfes Unbehagen. Genau so ein Gefühl hatte er nun, und deswegen zog er sich sofort unter einen Felsvorsprung zurück, presste sich an die Wand, um sich vor dem stärker werdenden Steinschlag zu schützen.
    Das Erdbeben dauerte nicht lange an. Sariel wartete noch eine Weile, bis er ganz sicher war, und wollte gerade seinen Unterstand verlassen, als er den Schatten bemerkte. Ein großer Schatten. Er zog direkt an ihm vorbei, keine fünf Meter entfernt. Sariel zuckte zusammen und kauerte sich instinktiv hin, um unsichtbar zu werden. Also doch Tiere. Dem Schatten nach ein großes. Oder der Saboteur aus Sar-Han, der ihn aufgespürt hatte. Oder ein Ori. Aber was auch immer es war, es konnte nur Gefahr bedeuten.
    Der Schatten war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Sariel wartete eine Weile atemlos ab. Dann kehrte der Schatten zurück, wanderte anscheinend unbekümmert und lautlos vor seinem Versteck auf und ab. Da er Sariel offenbar noch nicht entdeckt hatte und auch nicht näher kam, wagte sich Sariel etwas vor, um zu sehen, zu wem oder was der Schatten gehörte. Auf allen vieren krabbelte er seitlich zum nächsten Felsen, hinter dem er sich verbergen und gleichzeitig einen Teil der Schlucht überblicken konnte. Da schlug unmittelbar vor

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