Panik: Thriller (German Edition)
Nein, du Idiot. Nur um zu gucken, ob jemand abhebt.«
Chris drückte auf einen Knopf in der Mitte des Armaturenbretts. Eine Tastatur erschien auf dem Touchscreen daneben.
» Nicht schlecht«, sagte Cal. » Hast du Empfang?«
» Mal sehen.« Chris tippte die Nummer der Auskunft ein. Ein Summen ertönte, dann ein Piepen, und schließlich meldete sich eine Stimme aus den Autolautsprechern. Daisy blendete sie aus und sah sich durch die Heckscheibe nach Fursville um. Von hier aus wirkte der in der Hitze flirrende Park richtig winzig. Er kam ihr unwirklich vor, wie eine Fata Morgana, die jeden Augenblick verschwinden konnte. Das war natürlich Quatsch, aber auch nicht unwahrscheinlicher, als eine fremde Kreatur in sich stecken zu haben.
Einen Engel.
Andererseits klang alles, was Rilke gesagt hatte, so wahr und richtig– na ja, zumindest das meiste davon. Daisy glaubte nicht, dass Engel in ihnen wohnten. Zumindest nicht solche Engel, von denen ihre Mum überall Bilder aufgehängt hatte. Als sie krank wurde, war sie regelrecht besessen von ihnen. Aber jene Engel hatten gelächelt und waren mit roten Wangen auf Wattewölkchen gesessen.
Diese Engel jedoch… waren anders. Daisy konnte nicht so richtig erklären, wieso, sie wusste nur, dass sie nicht einfach so auf der Welt leben konnten wie normale Menschen. Deshalb hatten sie Cal und Brick und die anderen auserwählt. Sie brauchten einen Körper, der sie von einem Ort zum anderen brachte– so wie die Menschen mit ihren Autos herumfuhren.
Allerdings konnten diese Engel die Menschen nicht so kontrollieren wie die Menschen ihre Autos. Sie waren wie Beifahrer, die einem Macht– in Schillers Fall die Macht des Feuers– verliehen und darauf warteten, dass man von selbst die richtigen Entscheidungen traf.
Ob das stimmte? Daisy war sich da nicht so sicher.
Auf jeden Fall waren es gute Wesen. Nicht wie nette Menschen, eher wie freundliche Tiere, Hunde oder Tiger beispielsweise. Sie konnten nicht sprechen, aber sie passten auf, dass ihnen nichts zustieß. Sie schickten Daisy auch die Eiswürfel, die kleinen Einblicke in das Leben der anderen Menschen. Allerdings nur der Menschen, die selbst Engel in sich trugen, wie Daisy plötzlich erkannte. So verständigten sie sich miteinander.
» Soll ich sie durchstellen?«, fragte die Stimme.
» Ja, bitte«, sagte Chris. Es klickte, dann erklang ein Rufton.
Die große Frage war, weshalb die Engel hier waren. Sie konnten auf keinen Fall wollen, dass sie andere Menschen umbrachten. Da lag Rilke falsch– total falsch, doch Daisy machte ihr keinen Vorwurf. Schließlich hatte ihnen niemand eine Gebrauchsanleitung für solche Fälle ausgehändigt. Niemand von ihnen wusste, was sie tun sollten. Aber Menschen zu verletzen gehörte bestimmt nicht dazu, da war sich Daisy ganz sicher.
» Da geht keiner ran«, sagte Brick, als es weiter klingelte.
» Ach, echt?«, sagte Cal. » Und ich dachte schon, jemand wäre rangegangen und macht jetzt komische Geräusche.«
Brick wollte gerade etwas entgegnen, als eine Stimme aus den Lautsprechern ertönte. » Cavendish-Harbreit Agrartechnologie, guten Tag. Sie können uns Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr erreichen. Wenn es sich um einen Notfall handelt oder wenn Sie einen Termin außerhalb der Geschäftszeiten vereinbaren wollen, bleiben Sie bitte in der Leitung.«
Dann ertönte klassische Musik, und Daisy dachte unwillkürlich an ihre Theatergruppe. Die Erinnerung daran war wie ein Schlag ins Gesicht. Die Aufführung! Inzwischen war sie sicherlich schon vorbei. Emily Horton hatte die Julia gespielt und Fred geküsst. Dabei war das doch ihr Part. Der Hunger in ihrem Magen verwandelte sich in etwas viel Bösartigeres, das sie zu erdrücken drohte. Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Sie wischte sie weg, bevor sie jemand bemerkte, und holte tief und zitternd Luft, bis das erstickende Gefühl verschwunden war.
Die Aufführung war doch völlig nebensächlich. Sie hatten jetzt Wichtigeres zu tun. Das hoffte sie zumindest. Es musste einen Grund geben, weshalb sie hier waren, etwas, das alles wiedergutmachte. Denn sonst war alles– alles – umsonst gewesen.
Das Ding, das du gesehen hast, dachte sie. Der Mann im Sturm. Er ist der Grund, weshalb du hier bist. Du musst ihn bekämpfen. Obwohl die Erinnerung an diese Kreatur fürchterlich war, beruhigte sie dieser Gedanke irgendwie.
Sie mussten ihn aufhalten, bevor er die ganze Welt verschlingen konnte.
Genau das ist nämlich sein Plan. Er will
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