Panik: Thriller (German Edition)
ohne einen Befehl erhalten zu haben. Zweihundert Menschen bewegten sich im Gleichtakt und starrten ihn dabei so durchdringend an, dass ihn ihre Blicke förmlich zu durchbohren schienen.
Bin ich bei Verstehen Sie Spaß? , dachte er und sah sich auf dem Spielfeld um. Die Spieler waren wie Statuen– wie grässliche Statuen, die die Zähne gefletscht hatten. Ihre Augen quollen vor Wut und Wahnsinn aus den Höhlen. Irgendwo steht ein Kamerateam. Das ist nur gestellt, wie bei Jackass oder so. Bleib ganz cool, Cal. Geh nicht drauf ein, sonst machst du dich nur zum Affen.
Es konnte gar nicht anders sein, oder? Wie denn auch?
Irgendetwas in seinem Kopf, das noch tiefer reichte als das Dröhnen, schrie ihm die älteste, einfachste und instinktivste Botschaft zu, zu der sein Körper fähig war.
Lauf!
Cal hätte auch sofort gehorcht, wäre das schmerzhafte Pulsieren in seinem Kopf nicht so plötzlich verschwunden– dum-dum … dum-dum … dum -weg. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Er hatte nun so lange Kopfschmerzen gehabt, dass es ohne fast noch schlimmer war, als würde ein Teil von ihm fehlen. Trotzdem– eine gewaltige Erleichterung.
» Es ist weg«, sagte er. Ob man später in der Fernsehshow oder was das hier war, den Augenblick sehen konnte, in dem dieser Schmerz aus seinem Hirn verschwand? » Hey, Leute, es ist…«
Er verstummte, als sich Mr. Lyons in Bewegung setzte. Er lief nicht auf ihn zu, er rannte – mit wutverzerrtem Gesicht. Die anderen folgten ihm, als hätte der Lehrer sie dazu angestiftet. Ein Lärm wie Donnergrollen ertönte von der anderen Seite. Cal wirbelte herum. Die Menge stürmte die Tribüne hinunter, die Gänge hinab, über die Sitze hinweg. Die Erde schien zu beben.
Cal lächelte noch einmal lustlos, nicht länger als eine Sekunde, aber genug Zeit, um zu begreifen, dass hier keine Kameras waren, dass keiner der Menge den Wink gegeben hatte, plötzlich loszurennen; genug Zeit, um die Stimme in sich zu hören, diesen rasenden, verzweifelten, tierischen Schrei: LAUF ! LAUF ! LAUF !
Genug Zeit, um mit absoluter Klarheit zu verstehen, dass sein Schicksal besiegelt war, wenn er nicht auf diese Stimme hörte.
Er rannte so plötzlich los, dass er fast über seine eigenen Füße gestolpert wäre, lief die Mittellinie entlang, als die Menge den Spielfeldrand erreichte. Ein paar Schüler aus der ersten Reihe fielen unter dem Ansturm zu Boden, er sah etwas Feuchtes, Rotes, dann nur noch trampelnde Beine.
Cal hatte nicht geahnt, dass er so schnell rennen konnte. Das Adrenalin in seinen Adern hatte eine ähnliche Wirkung wie eine Lachgaseinspritzung auf einen Automotor. Seine Arme und Beine flogen nur so über den Rasen. Cal riskierte einen Blick über die Schulter– Nas war direkt hinter ihm. Speichel troff aus seinem zu weit geöffneten Mund, seine Augen wirkten wie hasserfüllte Geschwüre in seinem Gesicht. Er holte auf. Und dahinter die rasende Menge, ein Tsunami aus Fleisch.
Cal senkte den Kopf und rannte noch schneller, obwohl seine Lungen wie Feuer brannten. Diese Geschwindigkeit konnte er nicht auf Dauer durchhalten.
Das Hauptgebäude der Schule war direkt vor ihm. Wenn er es hineinschaffte, würde irgendjemand diesen Spuk beenden, ein Lehrer vielleicht oder der Hausmeister. Als er darüber nachdachte, sah er, wie eine Gruppe von Schülern, die vor der Tür saß, die Köpfe hob und in der Luft herumschnüffelte wie ein Löwenrudel, das eine Gazelle wittert. Wie ein Mann sprangen sie auf und rannten auf ihn zu. Auch ihre Gesichter waren zu wahnsinnigen, tobsüchtigen Halloween-Masken verzerrt.
Cal schlug einen Haken nach links auf den Fahrradschuppen zu. In seinem Kopf herrschte nur noch weißes Rauschen. Weitere Schüler strömten aus den Schultüren. Einer schrie, und der Schrei wurde von einem weiteren dahinter aufgenommen. Erst jetzt, als sie gleichzeitig losbrüllten, fiel Cal auf, wie ruhig sie zuvor alle gewesen waren. Es war ohrenbetäubend, fast wie ein physischer Schlag auf seine Ohren. Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, an Ort und Stelle zusammenzubrechen, die Hände auf die Ohren zu pressen und zu beten, es möge möglichst schnell vorbei sein.
Er hörte keuchendes, schnelles Atmen hinter ihm, dann berührte etwas seine Schulter. Cal zwang sich zum Nachdenken. Er machte jetzt schon seit Jahren Kampfsport, aber er konnte sich an gar nichts erinnern. Die Angst hatte sein Gedächtnis einfach gelöscht.
Nas streckte noch einmal den Arm aus, und diesmal bekam
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