Panther
auftauchte. Kaum hatte sich der Flieger entfernt, kam Twilly zwischen den Bäumen hervor und ging über eine ausgedehnte Grasfläche, bis er den genauen Längen- und Breitengrad der Position erreicht hatte, die ihm sein mobiles GPS anzeigte. Dort setzte er sich im Schneidersitz hin und sah vergnügt einer Reihe von Riesenameisen zu, die eine tote Grille abschleppten.
Nur Minuten später flog ein zweiter Hubschrauber von Süden heran und stand direkt über Twilly in der Luft. Der Wind, den die Rotorblätter verursachten, wirbelte die Ameisenparade durcheinander, und das weiche Gras tanzte wie verrückt herum.
Dieser zweite Hubschrauber war von Twilly selbst bezahlt worden. Er winkte dem Piloten zu, der die Tür öffnete und ein Bündel hinauswarf, das mit einem dumpfen Aufprall zehn Meter von Twilly entfernt landete.
Mit einem Taschenmesser durchtrennte er die dicken Schnüre, dann hob er vorsichtig den Spandeckel, um sich zu vergewissern, dass der kostbare Inhalt des Pakets nicht beschädigt war. Er zählte zwei Dutzend kleiner Plastikflaschen, die mit einer weißlichen Flüssigkeit gefüllt waren und zur Kühlung auf einem Bett aus Eiswürfeln lagen.
Twilly Spree schmunzelte und dachte: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Er signalisierte dem Piloten mit der Hand, dass alles okay war, und der Hubschrauber brummte davon. Gleich darauf herrschte wieder friedliche Stille über der Prärie, die im schräg stehenden Licht des Vormittags dalag.
Schlimme Nachrichten über seinen Vater wollte Nick wirklich nicht ausgerechnet von Dr. Dressler hören, der im Grunde ein Fremder war. Aber warum sonst sollte der Schulleiter ihn aus dem Unterricht geholt haben?
Auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude schwieg Dr. Dressler. Nick hätte am liebsten kehrtgemacht und wäre davongerannt. Wenn schon sein ganzes Leben auseinanderfallen sollte, dann wollte er wenigstens zu Hause sein, wenn es geschah. Er fragte sich, ob seine Mutter bereits informiert war. Aber falls ja – wo war sie dann? Und wer war bei ihr, um sie zu trösten?
»Setz dich bitte«, sagte der Schulleiter, als sie das Büro betraten.
Nick brauchte auch dringend einen Stuhl. Das Büro schien sich um ihn zu drehen, und Dr. Dresslers Stimme hörte sich an, als spräche er in einen Eimer. »Kann ich meine Mutter anrufen?«, fragte Nick.
»Wieso?«
»Oh. Ich meine, heißt das, sie weiß es schon?«
Dr. Dressler sah ihn verwirrt an. »Was weiß sie schon?«
Nick war noch nie im Leben in Ohnmacht gefallen, aber jetzt war er sich ziemlich sicher, dass er im nächsten Moment umkippen würde. Mit der freien Hand klammerte er sich an der Armlehne seines Stuhls fest, um sich aufrecht zu halten. Er presste die Augen fest zu und hoffte, dass der Raum endlich aufhören würde, sich zu drehen.
Ist mein Dad tot? Er brachte es nicht über sich, diese Frage zu stellen. Seine Angst war zu groß.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte der Schulleiter.
»Nein, Sir. Kann man nicht sagen.«
»Macht dein Arm dir Probleme?«
»Ich hab nichts mit dem Arm. Ich binde ihn nur hoch, weil ich Linkshänder werden will.«
»Ein interessantes Projekt.« Dr. Dressler bemühte sich, aufmunternd zu klingen, doch davon ging es Nick nicht gerade besser.
»Trotzdem, du siehst irgendwie blass aus«, sagte der Schulleiter. »Ich werde lieber die Krankenschwester –«
»Nein, bitte nicht. Es geht schon.« Nick öffnete die Augen und sah, dass Dr. Dressler einen Umschlag hochhielt.
»Dieser Brief ist heute für dich gekommen, an die Adresse der Schule.«
»Von wem?«
»Lies ihn aufmerksam. Danach habe ich einige Fragen an dich.«
Als Nick den Umschlag nahm, sah er, dass jemand ihn bereits geöffnet hatte. Na toll, dachte er ärgerlich. Was, wenn persönliche Dinge darin stehen?
Der Schulleiter spürte, dass Nick sauer war, und sagte: »Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wir müssen uns einfach vergewissern, dass keine unliebsamen Personen auf dem Schulgelände Kontakt mit unseren Schülern aufzunehmen versuchen.«
»Das heißt, Sie haben meinen Brief gelesen?«
»Wir wollten kein Risiko eingehen, Nick. Wie du siehst, steht kein Absender auf dem Umschlag.«
Das hatte Nick schon bemerkt, gleich als Erstes, und er war sehr erleichtert gewesen. Ganz bestimmt würde die Nationalgarde eine Todesnachricht nicht in einem neutralen Umschlag verschicken, schon gar nicht in einem lavendelblauen. Er faltete den Brief auseinander.
Lieber Nick,
mir ist zu Ohren gekommen, dass du und Marta
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