Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
eines gedehnten Momentes quietschend über die Spuren schlitterten, bis er den Geländewagen wieder unter Kontrolle hatte.
Der Tod in schwarzem flatternden Gewand kam ihnen mit der Sense auf der Strasse entgegen, aber diesmal würde er an ihnen vorbeigehen.
Vincents Blut lief plötzlich schneller und das Adrenalin pumpte ihm im Herzen. Das Mädchen aber hatte sich angesichts der drohenden Gefahr weder bewegt noch die geringste Regung gezeigt.
„Wir können es machen wenn du willst“, sagte sie.
Vincent benötigte einige Augenblicke, um den Sinn ihrer Worte zu erfassen. Erstaunen und Ärger wallten in ihm auf und er fragte: „Bist du völlig verrückt?!“
Consuelo zuckte nur die Schultern und Schweigen trat ein.
Als sie sich Concepcion näherten, erklärte Vincent: „Du kannst doch nicht einfach irgendwen sowas fragen.“
Sie schwieg aber weiterhin beharrlich und als er fragte, ob er sie wieder an derselben Tankstelle aussteigen lassen sollte, an der sie kürzlich in seinen Wagen geklettert war, nickte sie nur. Sie wandte sich nicht zu ihm um, als er ihr seine Karte mit allen Telefonnummern in die Hand drückte, ihr alles Gute wünschte und auf Wiedersehen sagte. Doch als er um die nächste Ecke bog und ihrem Blickfeld entschwand, sah sie ihm nach.
Der Bau am Waisenhaus war fast abgeschlossen und das Budget sah nicht schlecht aus. Vincents Gedanken aber schwirrten um die Nahrungsmittelproblematik und Transmar herum. Er konnte es kaum erwarten, in Brasilien zu sein.
Nachdem er gelandet war und einen Wagen gemietet hatte, machte er sich auf den Weg zu der Adresse, die er im Internet gefunden hatte. Das gleissende Mittagslicht fiel in die Ruhe der Siesta und die Hitze flirrte in zitternden Bildern über der Strasse. Er bemass das Risiko, das er eben einging, aber nichts konnte ihn davon abhalten, weiter zu gehen. Unbefragbar und tiefgründig trieb ihn eine Macht stärker als Hunger oder Lust.
Am industriellen Stadtrand von Sao Paulo in der Nähe des Hafens fand er die Adresse. Auf dem Gelände befand sich eine eingezäunte Sammlung von niedrigen Gebäuden und Stapeln von Schiffscontainern. Rostendes Weiss prägte das Bild, zusammen mit der überwuchernden Macht einer kriechenden Vegetation. Beim besetzten Pförtnerhäuschen war eine Schranke und an einem lächerlich niedlichen Briefkasten stand Transmar Import Export Ltd.
Vincent hatte zwei Möglichkeiten: Er konnte zum Pförtner gehen und sich erkundigen, um abgewiesen zu werden. Oder er konnte sich Zugang verschaffen, ohne sich die Erlaubnis geben zu lassen. Es schien, als sei niemand zugegen, alles mutete ruhig an bei Transmar, vielleicht hatte er Glück. Vielleicht.
Das unumstössliche Wissen verbannend, dass in Brasilien nichts unbewacht blieb, was dem Besitzer teuer war, schloss Vincent den Mietwagen ab und ging um das umzäunte Gelände herum. Das grösste der Gebäude schloss an den Zaun an, doch der Maschendraht hatte sich gelöst und der Rost hatte sein Übriges getan. So nahm er die Öffnung im Gehege als Willkommensgruss und stieg ohne Zaudern ein.
Dicht an der Wand des augenscheinlichen Lagerhauses gelangte Vincent zu einem kleinen staubigen Fenster. Darin erkannte er grosse Kunststoffässer und weisse riesige Säcke. Weiter im Hintergrund sah er Bottiche und eine Art Mühle oder Flüssigpresse.
Als er nahe der Wand weiterging und nach einem Eingang suchte, sah er, dass eines der Fenster geöffnet war. Die niedere Luke reichte bis auf seine Brusthöhe herab, so dass er ohne weiteres einsteigen konnte. Da die Öffnung aber zu klein war, als dass er seine Beine hätte anziehen und so hineinspringen können, musste er sich vorwärts auf die Hände abstützen und die Füsse allmählich nachziehen. So stieg er fast lautlos in das Lagerhaus. Dort allerdings schlugen ihm ein unvorstellbarer Gestank aus Moder und feuchtem Unrat entgegen, dass ihm schier übel wurde und er ein Niesen unterdrückte. Aber immerhin, er war lautlos hereingekommen.
Vincent sah sich um. Alles war still, er schien allein.
Nun ging er auf die Fässer zu und versuchte, das erste zu öffnen. Doch sie waren mit einer Metallspange verschlossen. Deshalb wandte er sich den weissen Säcken zu und fand darin Saatgut. Kleine gelbliche Körner oder Bohnen lagen zu Hauf darin und Vincent glaubte sie als Soja zu erkennen. Im Sack daneben lagerten dunklere, grünliche Bohnen, im nächsten wieder helle. Es schienen verschiedene Sorten sein.
Er ging auf die Bottiche
Weitere Kostenlose Bücher