Paradies in Gefahr: Mittsommergeheimnis (German Edition)
leicht gereizt. Sie war wirklich nicht in der Stimmung, mit Finja über Mikael zu sprechen. Sie wollte mit überhaupt niemanden über ihn sprechen, sondern am liebsten vergessen, dass sie ihm jemals begegnet war. Denn seit sie ihn kannte, stand plötzlich ihr ganzes Leben Kopf. Und das war etwas, mit dem Hanna ganz und gar nicht zurechtkam. “Hör zu”, fuhr sie etwas milder fort. “Ich werde dir schon noch alles erzählen, versprochen. Aber bitte nicht jetzt, okay?”
Zum Glück war Finja nicht beleidigt. Sie zuckte bloß mit den Schultern und fragte: “Aber mit dir ist alles in Ordnung, oder?”
“Ja”, log Hanna. “Natürlich. Wir sehen uns dann später, ja?”
Ihre Freundin war schon fast bei ihrem Wagen angelangt, als Hanna plötzlich noch etwas einfiel, das sie schon die ganze Zeit über beschäftigte.
“Sag mal, Finja?”
Sie blieb stehen und drehte sich um. “Ja?”
“Hatte Audrey eigentlich einen Freund? Jemanden, mit dem sie sich regelmäßig getroffen hat?”
Finja runzelte die Stirn. “Seltsam, dass du danach fragst.”
“Warum?”, fragte Hanna, bemüht, sich ihre Aufregung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. “Gab es da jemanden?”
“Nun, ich habe nie etwas mitbekommen, wenn du das meinst. Aber vor Kurzem hat mir Linnea erzählt, dass sie Audreys Tagebuch gefunden hat und … Ich weiß, eigentlich darf man solche privaten Aufzeichnungen nicht lesen, aber ich hätte es an Linneas Stelle wohl auch gemacht. Wie dem auch sei – es scheint ganz so, als hätte Audrey tatsächlich einen Freund gehabt. Doch anscheinend konnte sie sich nicht offen zu ihrer Liebe bekennen, da die Eltern des Jungen mit einer solchen Verbindung nicht einverstanden gewesen wären.”
“Dieses Tagebuch – hat Linnea es noch?”
“Ich denke schon. Kristian hat eine ganze Reihe von Ferienhäuser in Skatan gekauft und sie renovieren lassen. Eines davon hat früher einmal meiner Familie gehört – dort hat Linnea es gefunden. Soweit ich weiß, ist Kristian im Augenblick wieder oben, um die Umbaumaßnahmen zu überwachen. Er könnte das Tagebuch sicher mitbringen, wenn er in ein paar Tagen zurückkommt. Soll ich Linnea Bescheid sagen?”
“Ja, bitte”, erwiderte Hanna. “Das wäre sehr lieb von dir. Ich würde das Tagebuch gerne einmal sehen.”
Ein wenig besorgt musterte Finja sie, doch dann zuckte sie mit den Schultern. “Ich werde sie darauf ansprechen, wenn ich sie heute Abend sehe. Du rufst mich an, ja? Ich brenne darauf, zu erfahren, was zwischen dir und deinem Mikael vorgefallen ist!”
“Er ist nicht
mein
Mikael”, entgegnete Hanna automatisch, ertappte sich dann jedoch bei dem Gedanken, dass es genau das war, was sie sich am meisten wünschte: mit Mikael zusammen sein zu können.
Doch das war wohl ein Traum, der für alle Zeiten unerfüllt bleiben würde …
Der
Röda Tupp
war ein typischer Landgasthof, wie man sich ihn als Stadtmensch vorstellt. Die Einrichtung bestand aus dunklem Eichenholz, doch durch die hohen Sprossenfenster drang so viel Licht herein, dass der Schankraum trotzdem hell und freundlich wirkte. Auf den Tischen standen kleine Schwedenflaggen und an den Wänden hingen Bilder, die die Umgebung von Dvägersdal zeigten.
An der wuchtigen Theke saßen mehrere Männer, die neugierig in Mikaels Richtung schauten, als er eintrat. Auswärtige waren selten in Dvägersdal, doch die Einheimischen würden sich an fremde Gesichter gewöhnen müssen. Denn wenn das Wellnesshotel erst einmal seine Tore öffnete, würden früher oder später auch die Touristen in den Ort kommen.
Unwillkürlich musste Mikael wieder an Hanna denken. Es rang ihm trotz allem Respekt ab, wie sie sich für ihre Ziele einsetzte. Dennoch glaubte er nicht, dass sie aus reiner Naturverbundenheit handelte. Es musste noch einen weiteren Grund geben – und den wollte Mikael unbedingt herausfinden.
Er trat an die Theke. “Ein Bier, bitte”, wandte er sich an den Kellner. Und als dieser mit seiner Bestellung zurückkehrte, fragte er: “Können Sie mir sagen, ob heute jemand von den Umweltschützern hier ist?”
Der Wirt deutete mit einem Kopfnicken zu einer der Nischen im hinteren Bereich des Schankraums. Besonders gesprächig schien er nicht zu sein. Vielleicht mochte er aber auch einfach keine Fremden. Mikael war es gleichgültig, er hatte ohnehin nicht vor, sich mit den Einheimischen anzufreunden.
Die einzige Person, die ihn hier in Dvägersdal interessierte, hieß Hanna Fredrikson.
In der Nische saß
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