Paradies in Gefahr: Mittsommergeheimnis (German Edition)
“Ja, warum eigentlich nicht.”
Keine zehn Minuten später ließen sie die letzten Ausläufer von Dvägersdal hinter sich. Hanna hatte darauf bestanden, dass sie ihren Wagen nahmen. Zu Mikaels Erstaunen war der winzige 2CV von innen ein richtiges Platzwunder. Mit offenem Stoffverdeck und heruntergelassenen Fenstern kam beinahe so eine Art Cabrio-Feeling auf. Mikael fühlte, wie die Anspannung der vergangenen Tage von ihm abfiel, während die herrliche Landschaft an ihm vorüberglitt.
Er sah sattgelb leuchtende Rapsfelder und roten Klatschmohn, der am Wegesrand blühte. Tiefgrüne Wälder und weite Wiesen, auf denen schwarz-weiße und braun gescheckte Kühe weideten. Und dann tauchten hinter der nächsten Straßenbiegung der Siljansee am Horizont auf, der dunkelblau im Sonnenlicht schimmerte.
Mora war ein kleines Touristenörtchen am Ufer des Sees. Mikael war bei seiner Anreise hier vorbeigekommen und hatte kurz haltgemacht, um einen Kaffee zu trinken. Das Städtchen war ihm nicht großartig in Erinnerung geblieben, umso überraschter war er nun, als er zusammen mit Hanna erneut herkam.
Sie stellte ihren Wagen auf einem kleinen Parkplatz neben der Kirche ab. Als sie ausgestiegen waren, nahm sie seine Hand. “Komm …”
Hanna atmete tief durch. Sie fühlte sich entspannt und gelöst wie schon lange nicht mehr. Die Sonne stand hoch am strahlend blauen Himmel, an dem sich dicke weiße Kumuluswolken tummelten. Es war angenehm warm, aber nicht zu heiß. Genau das richtige Wetter für einen kleinen Ausflug. Doch über all der Idylle durfte sie nicht vergessen, warum sie wirklich hier war: um Mikael ihr Schweden, ihr Dalarna, nahezubringen. In der Hoffnung, dass er seine Meinung, was den Standort für das Wellnesshotel betraf, doch noch ändern würde.
Die Einkaufsstraße von Mora bot neben den üblichen Mode- und Schuhgeschäften auch eine stattliche Auswahl von kleinen Kunsthandwerkläden, in denen bunt bemalte Dalapferdchen, handgeschnitzte Holzschuhe und traditionelle Folklorekleidung verkauft wurden. Früher war Hanna zusammen mit Finja und Linnea öfter hierhergekommen, um zu bummeln. Doch das war lange her.
Und es waren auch nicht die fröhlichen Kindheitserinnerungen, die sie so gut gelaunt stimmten. Nein, der wahre Grund dafür trug einen Namen: Mikael.
Natürlich war sie nicht völlig ohne Hintergedanken zur Baustelle hinausgefahren, um ihn zu einem Ausflug zu überreden. Sie wollte, dass Mikael lernte, die Schönheit seiner Umgebung zu erkennen. Er war ein typischer Stadtmensch, und von denen hatte Hanna während ihres Studiums in Stockholm eine Menge kennengelernt. Sie hielten sich und ihre Lebensweise für das Maß aller Weisheit. Nicht umsonst besaßen die
Nollåttors –
08er, wie die Stockholmer entsprechend ihrer Telefonvorwahlnummer genannt wurden – in den Augen der Landbevölkerung den Ruf, angeberisch und arrogant zu sein. Es lag wahrscheinlich daran, dass Dinge wie die Natur und alles, was mit ihr zusammenhing, für sie einen ganz anderen Stellenwert besaß.
Mikael war ein typisches Beispiel dafür. Alles, was ihm fehlte, war ein Schubs in die richtige Richtung. Und Hanna hoffte, dass es ihr gelang, ihm mit diesem Ausflug den entsprechenden Stoß zu versetzen.
Vor dem Schaufenster einer Bäckerei blieb sie schließlich stehen. “Was meinst du, sollen wir uns ein paar
Kanelbullar
kaufen und dann zur Strandpromenade gehen?”
Gesagt, getan. Vom See her wehte ein leichter Wind, doch die intensiven Strahlen der Sonne waren angenehm warm. Wie von selbst griff Hanna nach Mikaels Hand. Es fühlte sich so gut, ja so richtig an, mit ihm zusammen zu sein, dass es unmöglich falsch sein konnte – oder?
Obwohl sie ihn nur so kurz kannte, spürte sie einfach, dass Mikael und sie etwas ganz Besonderes verband. Und damit meinte sie nicht bloß, dass sie sich körperlich zu ihm hingezogen fühlte – was definitiv der Fall war. Sie spürte einfach, dass zwischen ihnen etwas Besonderes war. Nur was, das vermochte sie einfach nicht in Worte zu fassen.
Sie setzten sich auf eine Parkbank direkt an der Strandpromenade. Hanna holte die Papiertüte mit den Zimtschnecken aus ihrer Tasche und reichte Mikael eines der Gebäckstücke. Schweigend aßen sie, während sie zuschauten, wie die Wolken am strahlend blauen Himmel, der sich in der glatten Oberfläche des Siljansees spiegelte, über sie hinwegzogen.
Als eine Entenmutter mit ihren Jungen am Ufer entlangschwamm, sprang Hanna auf und winkte Mikael hastig
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