Paradies Pollensa
ich sogar seinen Namen vergessen. Er hieß Simon Gilliatt, Major der Air Force.«
»Ist er im Krieg gefallen?«
»Nein, nein. Nein, er hat den Krieg gesund überstanden. Nach dem Krieg nahm er seinen Abschied und ging mit Lily nach Kenia, wie es so viele machten. Dort siedelten sie sich an und führten ein glückliches Leben. Sie bekamen einen Sohn, den sie Roland nannten. Später, als er in England zur Schule ging, sah ich ihn ein- oder zweimal, das letzte Mal, glaube ich, als er zwölf Jahre alt war. Ein netter Junge. Er hatte rote Haare wie sein Vater. Seitdem traf ich ihn nicht wieder und freue mich deshalb darauf, ihn heute wiederzusehen. Er muss jetzt dreiundzwanzig oder vierundzwanzig sein. Wie doch die Zeit vergeht!«
»Ist er verheiratet?«
»Nein. Das heißt noch nicht.«
»Also Heiratspläne?«
»Ja, ich schließe das aus dem, was Tom Addison in seinem Brief schrieb. Es gibt da eine Cousine. Toms jüngere Tochter heiratete den Dorfarzt. Ich lernte sie nie näher kennen. Sie starb im Kindbett. Ihre Tochter wurde Inez getauft, ein Name, den ihre spanische Großmutter aussuchte. Ich habe Inez auch nur einmal gesehen, seitdem sie erwachsen ist. Ein schwarzhaariger, spanischer Typ, der sehr stark der Großmutter ähnelt. Aber vermutlich langweile ich Sie mit alledem.«
»Nein, nein, ich möchte es hören. Es interessiert mich sehr.«
»Ich frage mich, warum«, sagte Mr Sattersway und schaute Mr Quin mit jenem leichten Argwohn an, der ihn in dessen Gegenwart gelegentlich überkam. »Sie wollen alles von dieser Familie wissen. Warum?«
»Damit ich sie mir vielleicht im Geiste vorstellen kann.«
»Also, das Haus, zu dem ich auf dem Weg bin, wird ›Doverton Kingsbourne‹ genannt. Es ist ein sehr schönes, altes Haus. Nicht so sehenswert, dass man es an bestimmten Tagen für Besucher öffnen könnte, jedoch ein ruhiges Haus auf dem Lande, gerade richtig für einen Engländer, der seinem Vaterland gedient hat und nun zurückkommt, um einen angenehmen Lebensabend im Kreise seiner Familie zu genießen.
Tom hat das Landleben immer geliebt. Besonderen Spaß machte ihm das Angeln. Er war auch ein guter Schütze, und wir haben als Knaben viele glückliche Tage gemeinsam im Haus seiner Eltern verlebt. Ich habe als Schuljunge viele Ferientage in ›Doverton Kingsbourne‹ verbracht. Und während meines ganzen Lebens trug ich immer sein Bild in meiner Erinnerung. Kein anderer Ort war so schön wie ›Doverton Kingsbourne‹, kein anderes Haus kam ihm gleich!
Jedesmal, wenn ich in der Nähe war, hatte ich das Verlangen, einen Umweg zu machen, nur um vorbeizufahren, um einen Blick durch die Bäume der langen Allee vor dem Haus zu erhaschen, einen kurzen Schimmer vom Fluss mitzubekommen, an dem wir früher angelten, oder vom Haus selbst. Und ich erinnerte mich an all die Sachen, die Tom und ich zusammen angestellt haben. Er war immer ein aktiver Mensch gewesen, ein Mann der Tat. Und ich… ich bin nur ein alter Junggeselle gewesen.«
»Sie waren mehr als das«, widersprach ihm Mr Quin. »Sie waren ein Mann, der sich Freunde geschaffen hat, der viele Freunde hatte und der seinen Freunden Gutes tun konnte.«
»Wenn ich das nur glauben könnte. Vermutlich schmeicheln Sie mir nur.«
»Überhaupt nicht. Sie sind außerdem ein guter Gesellschafter. Die Geschichten, die Sie erzählen können, die Dinge, die Sie gesehen haben, die Orte, an denen Sie gewesen sind, die merkwürdigen Dinge, die in Ihrem Leben passierten – Sie könnten ein ganzes Buch darüber schreiben«, sagte Mr Quin.
»Wenn, dann würde ich Sie darin zur Hauptperson machen.«
»Nein, das würden Sie nicht«, protestierte Mr Quin. »Ich bin nur derjenige, der zufällig einmal vorbeikommt, das ist alles. Aber fahren Sie fort. Erzählen Sie mir mehr!«
»Nun, das ist eigentlich nur eine Familienchronik, die ich Ihnen da berichte. Wie ich bereits sagte, gab es lange Zeiträume, Jahre, in denen ich niemanden von der Familie sah. Aber sie sind immer meine Freunde geblieben. Ich traf Tom und Pilar bis zu der Zeit, da Pilar starb – unglücklicherweise starb sie verhältnismäßig jung –, Lily, mein Patenkind, und Inez, die Tochter des stillen Doktors, die im Dorf bei ihrem Vater lebt…«
»Wie alt ist die Tochter?«
»Inez ist neunzehn oder zwanzig Jahre alt, glaube ich. Ich werde mich glücklich schätzen, Freundschaft mit ihr zu schließen.«
»Alles in allem ist es also eine glückliche Familienchronik?«
»Nicht ganz. Lily, mein Patenkind,
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