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Paragraf 301

Paragraf 301

Titel: Paragraf 301 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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sleep?«

    »Hotel.«

    »What Hotel?«

    »We do not know yet.«

    »Where you come from today?«

    » Sivas. «

    »Where you sleep?«
    Auf diese Frage war Schlüter nicht vorbereitet.
    »Sivas Büyük« , antwortete Clever.
    Der Jüngling mit dem steinernen Gesicht stand auf, die Hand am Abzug. »Look at car«, sagte er.
    Er ging wieder voran, die beiden Wachen folgten als Letzte, die beiden, die draußen gewartet hatten, machten die Nachhut.
    Jetzt erst entdeckte Schlüter den Unterstand, der jenseits der Straße wie ein Schwalbennest am Fels klebte, auch aus Beton und mit grünem Tarnanstrich, aus der Schießscharte ragten zwei Gewehrläufe. Sie zielten auf seine Brust.
    Er versuchte, so normal wie möglich zu gehen. Nicht schnell und nicht langsam. So, wie einer geht, wenn er nach dem Pinkeln zurück zu seinem Auto geht und an nichts Besonderes denkt. Ein normales Gesicht, ein normaler Gang, das ist es, was du brauchst.
    Am Wagen angekommen, wurden sie wie bei der Ankunft von den fünf Soldaten umstellt. Der Anführer öffnete die Türen, hob das Gepäck, durchstöberte Schlüters Reisetasche, sah unter die Sitze. Ein Glück, dass ich mein Diktiergerät in der Manteltasche habe. Und was, wenn sie mich auch noch durchsuchen wollen? Der Kofferraum wurde geöffnet. Er war so gut wie leer.
    »You drive«, sagte der Anführer und gab den Weg frei, indem er mit der freien Hand in die Richtung des Gebirges wies. Er hielt Schlüter die beiden Ausweise hin.
    Schlüter setzte sich hinter das Steuer, so normal wie möglich, er sah die Gewehrläufe vom Berg aus der Schießscharte ragen, er startete den Motor und legte den ersten Gang ein, langsam setzte er den Wagen in Fahrt, so normal wie möglich, die Gewehrläufe zogen langsam mit, und dann sah Schlüter, dass oberhalb des Schilderhauses am Fels noch ein Schwalbennest aus Beton klebte, aus dem zwei weitere Gewehre auf sie zielten, schemenhaft erkannte er einen behelmten Kopf dahinter. Im Slalom fuhr er um die Betonschikanen, immer schön langsam, so normal wie möglich, und hinter der letzten Barrikade legte er den zweiten Gang ein, er spürte den Zwang, sich umzudrehen, zu prüfen, ob die Gewehrläufe ihnen immer noch folgten.
    »Nicht umdrehen!«, bellte Clever, »nie umdrehen!«, und Schlüter ließ es, gab etwas Gas, aber nicht zu viel, und legte den dritten Gang ein und dann hatten sie die Kontrolle hinter sich gelassen.
    Hinter der nächsten Kurve wischte Schlüter sich den Schweiß aus dem Gesicht und knetete seine verkrampften Hände. »Bist du wahnsinnig?«, rief er. »Wolfgang Schäuble Clever?!«
    Ein Tanklaster kam ihnen entgegen. Schlüter musste den Wagen an den Rand der Straße steuern und anhalten, sie verschwanden in einer Staubwolke.
    Clever kicherte. »So was, das hab ich mir mein ganzes Leben lang gewünscht. Und heute, heute hab ich es endlich mal gemacht!«
    »Bist du verrückt geworden?!«
    »Wieso das denn?«
    »Und wieso ausgerechnet Schäuble?«
    »Ist doch klar: Der war für mich zuständig, als ich im Knast war. Da war er Innenminister. Er hat für Essen und Trinken gesorgt und für ein Dach über dem Kopf. Wie ein wahrer Vater. Wie ich nie einen hatte. Was ist daran so verkehrt? Du kannst übrigens weiterfahren.«
    »Und das mit dem Hotel, woher …«
    »Da sind wir dran vorbeigekommen. Das hab ich mir gemerkt.«
    »Und woher wusstest du, dass …«
    »Es ist Krieg hier, Mann!! Wir machen keine Kaffeefahrt!«
    »Und Maria Theresia?!«

    »Eine starke Frau, eine berühmte Frau soll das gewesen sein, so wie ich mir meine Mutter gewünscht habe.«
    »Weißt du überhaupt, wer das war?«
    »Mir doch scheißegal, Mann.«
    Schlüter schüttelte ergeben den Kopf. Ihm fiel nichts mehr ein.

    Der löchrige Asphaltbelag hörte nach ein paar hundert Metern auf. Ein steiler Schotterweg, den man in die blutigen Flanken der Berge getrieben hatte. In Serpentinen führte er empor zu den weißen Gipfeln, scheinbar geradewegs in den Himmel, und das Slalomfahren im zweiten Gang nahm kein Ende.
    »Jetzt haben sie uns im Sack«, sagte Clever mit der Karte auf den Knien.
    »Was meinst du damit?«
    »Dass wir im Sack stecken. Es gibt nur drei Straßen hier rein. Von Süden über den Euphrat. Von Südost über Kovancılar. Und diese hier. Die Gebirgswege von Osten können wir vergessen. Die sind wahrscheinlich voll Schnee und nicht passierbar. Und keiner, der reinkommt, kommt ohne Kontrolle wieder raus. Von jetzt ab wissen sie, wo wir sind. Sie kennen jeden, der

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