Parallelum - Der dunkle Beobachter (German Edition)
erschöpft, komme aber nicht zur Ruhe. Die dunkle Gestalt auf dem Dach war bestimmt der Mann, der auf jedem Tatort aufgetaucht ist. Ich konnte zwar nur die Konturen erkennen, doch ich bin mir sicher, einen im Wind wehenden Mantel erkannt zu haben. Wie hat er das Klingeln ausgelöst, das ich gehört habe? Ich bin anscheinend die Einzige gewesen, die das hören konnte. Er wollte auf mich zukommen, doch plötzlich ist er verschwunden – wie vom Erdboden verschluckt – und das Klingeln in meinem Ohr mit ihm. Habe ich mir das vielleicht doch nur alles eingebildet? Ich bin vollkommen überarbeitet und leide an Schlafmangel, das wäre also gar nicht so abwegig. Die einfachste Erklärung ist die: Ich werde langsam verrückt. Doch dann schüttele ich den Kopf und verwerfe diese Gedanken so schnell wie möglich wieder. Was ich mir sicherlich nicht eingebildet habe, sind die Parallelen zwischen meinen Fähigkeiten und den Morden. Ganz eindeutig haben sie etwas miteinander zu tun: Immer wenn ein Mord von dem Serienmörder verübt wird, passiert etwas mit mir. Die Gedanken lassen mich nicht mehr los. Ich beschließe aufzustehen und auf das Revier zu fahren. Nachdem ich den Schlafanzug, den mir Paola gegeben hat, ausgezogen habe, schlüpfe ich wieder in meine eigenen Klamotten. Dann löse ich mein Handy vom Stecker und stopfe es in meine Tasche. Kurz darauf vibriert es. Ich nehme es wieder heraus und schaue auf das Display. Eine SMS von Francesco:
»Ist alles in Ordnung bei dir?
Du brauchst dir um Commissario Lovato keine Sorgen zu machen, ich habe alles im Griff.
Melde dich bitte bei mir, Francesco.«
Unwillkürlich muss ich lächeln. Auf ihn kann man sich verlassen. Ich antworte ihm, dass es mir gut gehe und ich wohl morgen wieder zum Arbeiten bereit sei. Dann hinterlasse ich Paola eine Nachricht auf dem Küchentisch und gehe zu meinem Auto.
Auf der Landstraße ist es stockfinster. Ich schalte das Fernlicht an, um mehr sehen zu können. Nachts zu fahren, hat mir nie etwas ausgemacht, doch heute kann man nur schwerlich etwas erkennen. Zu allem Überfluss fängt es auch noch zu regnen an. So langsam macht sich der Herbstanfang bemerkbar. Plötzlich taucht ein Auto mit Fernlicht hinter mir auf. Ich blende ab und hoffe, auch das Auto hinter mir werde das tun.
»Na, komm schon, du Idiot. Mach das verdammte Fernlicht aus!«, murmele ich. Geblendet fahre ich absichtlich etwas langsamer, um ihn zu animieren, mich zu überholen.
Auf einmal knallt er hinten in meinen Brava. Erschrocken schaue ich in den Rückspiegel. Endlich hat der Fahrer abgeblendet, und mit Schrecken stelle ich fest, das Auto hinter mir zu kennen: Es ist der schwarze Mercedes von heute Morgen. Sofort beschleunige ich wieder und schalte hoch. Verdammt, was wollen die bloß von mir, wie haben die mich so schnell wiedergefunden?
Ein leises Klingeln ertönt in meinen Ohren. Ich schaue wieder in den Rückspiegel. Sie sind dicht hinter mir. Das Klingeln wird lauter. Als ich nach vorne schaue, taucht plötzlich der Mann mit dem schwarzen Ledermantel aus dem Nichts mitten auf der Straße auf. Erschrocken lege ich eine Vollbremsung hin, doch die Straße ist nass. Ich komme von ihr ab und pralle gegen einen Baum. Der Airbag geht auf, ich lehne mit dem Kopf darauf. Ich spüre einen starken Schmerz in meiner Nase und spüre, dass Blut daraus fließt. Starke Schmerzen peinigen meinen ganzen Körper. Ich höre nur noch, wie der Mercedes anhält, den Rest übertönt das laute Klingeln. Mit letzter Kraft drehe ich meinen Kopf zum linken Rückspiegel und sehe, wie der Mann mit dem schwarzen Ledermantel mit einem bläulich leuchtenden Stab nacheinander in die zwei Anzugtypen sticht.
Langsam öffne ich meine Augen. Ich sehe alles verschwommen, mein Kopf dröhnt, und meine Nase tut weh. Überrascht stelle ich fest, dass ich in einem Bett liege. Verwundert setze ich mich auf und reibe meine Augen. Langsam wird mein Blick klarer, Objekte nehmen Gestalt an. Ich erkenne eine dunkle Kommode mir gegenüber und rechts daneben eine braune geschlossene Tür.
Wo bin ich?
Ich bin weder zu Hause bei Giovanni noch bei Paola. Vielmehr befinde ich mich in einem fremden Schlafzimmer und kann mich nicht erinnern, wie ich hierhergekommen bin. Ich kann mich auch nicht genau erinnern, was ich als Letztes getan habe. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ich zum Revier fahren wollte. Da fällt es mir plötzlich wieder ein: Auf der Landstraße hat es angefangen zu regnen, und der
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