Parasiten
hämmerte mit der Faust gegen die Tür:
»Frau Suworow, hier ist die Polizei. Machen Sie auf, wir wissen, dass Sie da
sind.«
Nach einer kurzen Weile bekamen sie Antwort: »Gehen Sie, bitte. Ich
bin krank.«
»Wir werden Sie nicht lange belästigen. Aber wir brauchen Ihre Hilfe.«
Nach einem weiteren Moment hörten sie sich nähernde Schritte, das
Geräusch einer Ketten-Entriegelung und das zweifache Umdrehen des
Wohnungsschlüssels. Als Sofia Suworow die Tür öffnete, erschraken Christian und
Pete. Sofia sah aus, als wäre ein Traktor über sie gebrettert. Die wenigen
unverkrusteten Teile des Gesichts waren grün und blau bis violett gefärbt, das
linke Auge halb zugeschwollen. Sie hielt sich schief, zur linken Seite geneigt,
und den rechten Arm legte sie wie zum Schutz auf ihre linke Rippenhälfte.
»Wer hat Sie so zugerichtet?«, fragte Christian.
»Ich bin mit dem Fahrrad gestürzt. Was kann ich für Sie tun?«
»Dürfen wir kurz hereinkommen?«
Nachdem sie die Ausweise kontrolliert hatte, öffnete Sofia die Tür
gerade so weit, dass Christian und Pete eintreten konnten. Sie humpelte voran
ins Wohnzimmer und bot ihnen Platz an. Christian und Pete sahen sich um. Die
Wohnung war klein und ohne Aufwand, aber mit viel Geschmack eingerichtet. Sofia
stöhnte vor Schmerz, als sie sich setzte.
»Wie heißt das Fahrrad denn? Ich würde es gerne verhaften.« Pete
lächelte Sofia gewinnend an. Jede Frau schmolz dahin, wenn er sie so anblickte.
Sofia nicht.
»Das Fahrrad hat keinen Namen. Können Sie jetzt bitte zur Sache
kommen? Was will die Hamburger Kripo hier in Bremen?«
»Es geht um Ihren Freund und Kollegen Danylo Savchenko …«, begann
Christian.
Sofia unterbrach ihn: »Danylo ist die längste Zeit mein Freund
gewesen. Er hat mich kürzlich bei einem Konzert hängen lassen. Das war’s. Thema
durch.«
»Am Abend vor dem Konzert haben Sie ihn im ›Crazy Horst‹
aufgesammelt. Er war sehr betrunken und … aufgewühlt.«
»Sie sind gut informiert.«
»Das ist unser Job.«
Pete bat, die Toilette aufsuchen zu dürfen. Sofia sagte ihm, wo sie
sich befand.
»Danylo war sehr betrunken, das stimmt. Und das ist er häufiger.
Aber aufgewühlt? Er wird gerne melodramatisch, wenn er betrunken ist. Russkaja
dusha, die russische Seele.«
»Wo haben Sie ihn hingebracht in jener Nacht? Zu seiner Wohnung in
Winterhude?«
»Nein, in mein Hotel. Ich war schon für das Konzert angereist, weil
wir an dem Tag noch proben wollten. Aber da ist er auch schon nicht
erschienen.«
»Warum in Ihr Hotel und nicht in seine Wohnung?«
Sofia zögerte nur kurz. »Das Taxi vom Kiez zu meinem Hotel am
Dammtorbahnhof war erheblich billiger als bis nach Winterhude. Und ich weiß,
dass ich das Geld von Danylo nie zurückbekomme.«
»Sie sind nicht gut auf ihn zu sprechen.«
»Ist das ein Wunder? Aber nun sagen Sie mir bitte, warum Sie hier
sind.«
»Wir suchen ihn dringend als Zeugen in einem Mordfall. Leider
konnten wir ihn in seiner Wohnung nicht antreffen. Er wurde seit Tagen nicht
gesehen, und niemand weiß, wo er sich aufhält. Sein Handy ist abgeschaltet«,
sagte Christian. »Hat er Ihnen etwas über seinen Freund Henning Petersen
erzählt?«
Sofias Miene war undurchdringlich. »Über sein Privatleben weiß ich
nichts.«
»Das fällt mir schwer zu glauben, Frau Suworow. Soweit wir informiert
sind, kennen Sie sich seit frühester Kindheit. Für eine enge Freundschaft
spricht auch, dass Sie ihn nachts um drei in einer Bar aufsammeln, obwohl er
Sie tagsüber bei den Proben hat hängen lassen.«
»Das war das letzte Mal, das können Sie mir glauben.«
»Hat er sich bei Ihnen gemeldet nach dem Konzert? Sein Fortbleiben
begründet? Sich entschuldigt?«
»Danylo hat mir vor Jahren schon erklärt, dass es ihm lästig ist,
sich für Dinge zu entschuldigen, die er im Suff gesagt oder getan hat.«
»Er hat sich also nicht gemeldet?«
»Nein.«
Pete kam von der Toilette zurück und nahm den Faden nahtlos auf:
»Kommt es öfter vor, dass er einfach für ein paar Tage verschwindet und
niemandem Bescheid gibt?«
»Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann nur sagen, dass er noch
nie ein Konzert geschmissen hat.«
»Machen Sie sich Sorgen um ihn? Auch wenn Sie genervt sind von
seinem Verhalten?«
Sofias Blick flackerte kurz. Dann nickte sie. »Schon. Er ist ein
Chaot. Aber er ist kein Arschloch. Und kein Mörder, falls Sie das denken.«
»Warum sollten wir das denken?«
»Sie sagen, Sie suchen ihn als Zeuge in einem
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