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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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die Eiche nicht
zehn Mal hintereinander traf, würde er eine halbe Stunde auf Erbsen knien.
    Plötzlich zeigte sich ein Reh zwischen den Bäumen. Es blieb stehen
und sah Danylo an. Danylo betrachtete diese Situation als eine erste Prüfung.
Wenn er einen Menschen töten wollte, dann musste er auch ein Reh töten können.
Langsam hob Danylo die Waffe an und zielte. Die Tränen, die über seine Wangen
liefen, spürte er nicht.

 
    Brcko, Bosnien-Herzegowina.
    Gegen Mittag wurden die Frauen geweckt. Die meisten hatten
geschlafen, da ihre Erschöpfung größer war als die Angst. Nur einige wenige
konnten keine Ruhe finden, wälzten sich auf ihren Pritschen hin und her,
weinten leise oder litten stumm vor sich hin.
    Auch Sofia hatte kein Auge zugetan. Sie grübelte wie eine Besessene
darüber nach, was sie tun konnte, um Alina zu finden. Zwischendurch dachte sie
kurz an die Möglichkeit, dass ihre Beschäftigung mit Alinas unbekanntem
Schicksal sie nur von ihrem eigenen ablenken sollte. Also konzentrierte sie
sich diszipliniert auf das, was sie selbst erwartete. Wut und Ekel stiegen in
ihr hoch. Angst verspürte sie auch, aber die lauerte versteckt im Hintergrund
wie ein geducktes Tier, das erst im geeigneten Moment mit seiner ganzen Größe
und Kraft zuschlägt. Sofia wusste, dass alles, was an Grauen noch vor ihr lag,
ihre kleine Schwester Alina vermutlich schon seit Tagen durchmachte. Sie musste
sich selbst beweisen, dass sie alles überstehen konnte, ohne neben den
körperlichen Schmerzen zu großen seelischen Schaden zu nehmen. Nur dann konnte
sie auch hoffen, dass Alina standhielt. Alina war stark. Stärker als sie. Wenn
sie es schaffte, dann würde Alina es auch überstehen.
    Außerdem dachte Sofia über die Kassette nach, das Tonband, die
Aufnahme, was auch immer es war, das der Mann bei ihr gesucht und nicht
gefunden hatte. Wenn sie wüsste, was und wo es war, konnte sie es vielleicht
einsetzen, um Alina und sich freizukaufen. Dass es nicht um Geld ging, hatte
sie in Chişinău bei Vadims Boss
begriffen. Alina war Opfer einer Disziplinierungsmaßnahme für ihre Schwester in
Deutschland.
    Sofia vermutete, dass Danylo das Tonband besaß. Vermutlich war er
deswegen untergetaucht. Ob er sich inzwischen bei ihr gemeldet hatte? Sie
verfluchte zum x-ten Mal, dass sie ihr Handy in Bremen hatte liegen lassen.
Irgendwie musste sie versuchen, an ein Telefon zu kommen und Danylo zu erreichen.
Er musste ihr helfen und das Band herausrücken. Schließlich steckten Alina und
sie nur seinetwegen in dieser Hölle.
    Sofias Rücken tat weh, die Pritsche war steinhart. Katya über ihr
schnarchte leise. Sofia fragte sich, was Katya schon alles erlebt und überlebt
hatte. Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wollte sie es nicht in allen
Einzelheiten wissen. Es würde ihr Angst machen. Mit Angst in den Knochen würde
sie die nächsten Tage nicht überstehen. Und Alina niemals finden.
    Eine Frau neben ihr sang leise die rumänische Nationalhymne:
     
    Wach auf, du Rumäne, aus deinem Todesschlaf,
    In welchen dich barbarische Tyrannen versenkt haben!
    Jetzt oder nie, webe dir ein neues Schicksal,
    Vor welchem auch deine grausamen Feinde sich verneigen werden!
     
    Schaut, erhabene Schatten, Michael, Stefan, Corvin,
    Die Rumänische Nation, eure Urenkel,
    Mit bewaffneten Armen, euer Feuer in den Adern,
    Ruft mit einer Stimme: »Lebendig und frei, oder tot!«
    Die Frau wiederholte den letzten Satz immer und immer wieder:
»Lebendig und frei, oder tot! Lebendig und frei, oder tot! Lebendig und frei …«
    Sofia hielt sich die Ohren zu.
    Wie die Schlüssel im Schloss gedreht wurden, die Tür zu dem Raum
sich öffnete und schwere Schritte auf genagelten Stiefeln hereinkamen, hörte
sie trotzdem. Es waren nicht die Aufpasser, die sie in dem Lkw hierhergebracht
hatten. Es waren andere. Und dennoch die gleichen. Es gab keinen Unterschied
zwischen all diesen Männern.
    Einer von den dreien begrüßte Katya mit einem Hieb in die Magengrube.
»Auch wieder hier?«
    Katya krümmte sich, gab aber keinen Laut.
    Die Männer sahen sich im Raum unter den Neuankömmlingen um. »Du, du,
du und du. Mitkommen.«
    Sofia war eine von den Frauen, auf die die Männer gezeigt hatten.
Sie erhob sich und reihte sich unter den anderen ein. Die meisten gehorchten
ohne Widerstand. Nur Cristi schlug um sich, kratzte, trat und biss. Katya war
nicht dabei. Sofia warf ihr einen Hilfe suchenden Blick zu.
    Katya flüsterte: »Denk an etwas, das dich glücklich gemacht

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