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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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Turnschuhe, die so gar nicht zum Rest seiner ländlichen Erscheinung paßten, schüttelten sich eine ganze Weile die Hände. Sie hatten sich offenbar seit längerem nicht gesehen, unterhielten sich ausgiebig, ohne die Hände loszulassen, und versperrten die Straße. Ein Mann steckte den Kopf aus dem Fenster seines Simcas und schleuderte Verwünschungen an die nickenden Köpfe, doch sie hörten ihn nicht. Gerade, als der Mann aus seinem Wagen steigen wollte, erwachten sie aus ihrem Zwiegespräch und rückten, ohne ihre Haltung zu verändern, ein Stück zur Seite. Obstverkäufer, Eismänner, Verkäufer von gekühlter Orangen- und Mandellimonade, alle hinter ihren kleinen Karren stehend, und Händler von Wasweiß-der-Himmel sangen Lob und Preis ihrer Waren.
    Gendarmen, die Baretts entweder auf dem Kopf oder in der Hosentasche, patrouillierten mit schweren Knüppeln, die sie gegen die Hüfte prallen ließen, und verjagten zur Aufrechterhaltung einer Parodie von Diensterfüllung ab und zu einen Bettler. Schwarze, von der Sonne geröstet, in Scharlachkleidung und schwarzen venusmuschelverzierten Mützen, kauerten am Boden und rösteten Erdnüsse. Kioske boten Zeitungen, Zeitschriften, Zigaretten und Postkarten an.
    Eine Biene ließ sich von der Abbildung einer Rose in die Irre führen und knallte immer wieder gegen das Harte. Auf ausgebreiteten Laken wurde Schmuck dargeboten, alles Stücke
    – das versicherten jedenfalls die wollbemützten und aufmüpfigen Verkäufer – aus purem Silber. Fliegen waren Stammkunden. Von einem fernen Brunnen, der eine Kristallähre mitsamt irisierenden Grannen versprühte, kamen einige Wassertropfen auf fliegenden Teppichen des Windes neugierig angeflogen. Bürgersteig und Grünanlagen waren übersät mit Spelzen von Sonnenblumenkernen. Alte Männer spielten unter den Platanen Dame oder stützten sich auf alten Bänken sitzend auf ihre alten Spazierstöcke, ein vertrauter Anblick in jeder Stadt der Welt. Einer schlief auf einer Bank, die Zeitung über das Gesicht gebreitet, und las in seinen Mittagsträumen. Bettler hielten ihre Jeremiaden, Esel iahten, Autos hupten. Es war ein glückliches Chaos.
    Der Eseltreiber verkündete, daß das Ziel erreicht sei. Die ganze Reise über hatten die Frauen gequasselt, gesungen, in die Hände geklatscht, den Schmuck klirr-klirren lassen, geschwiegen, bis die Stadt sie übertönte. In den verstreut liegenden Dörfern unterwegs kamen neugierige Kinder angerannt, manche warfen mit Steinen; Jungen, die mit Körben voller Obst am Straßenrand standen, liefen hinter dem Karren her. In der Ferne winkte ein Schäfer und setzte danach sein Flötenspiel fort. Ein Solex fuhr am Horizont Richtung Ende der Welt.
    Die Frauen waren entschlossen, den Tag bis zur Neige auszukosten. Warum auch nicht? Sie wollten es sich gut gehen lassen, schließlich war das ihr erster Tag ohne Babys, Kinder und außerhalb der Küche, und so, wie sie das Leben kannten, würde das auch ihr letzter sein.
    Der Eseltreiber drehte sich um und sah niemanden mehr. Bei der Ankunft in der Stadt waren die Frauen eine nach der anderen von der Ladefläche gesprungen, um sich das Fahrgeld zu sparen. Sie brauchten das Geld dringend für die Rückfahrt.
    Wo vorher Rosen, Jujuben und Jasmin geblüht hatten, erstreckten sich jetzt nur noch die trocknen Planken des Karrens. Das Segeltuch des Sonnenverdecks flapperte im Wind, als übermittelten die Geflohenen damit eine Nachricht.
    Er ließ seinen Blick schweifen, obwohl es unmöglich war, die Frauen unter all den Frauen hier wiederzufinden, da sie alle die gleichen weißen Überwürfe trugen. Er war sich sicher: Im Teehaus würde er heute das große Wort führen. Er lachte und setzte seinen Maulesel in Bewegung.
    Vor dem großen Tor des roten Basars stand ein Geschichtenerzähler in weiten, schwarzen, fledermausärmligen Gewändern, um den Kopf einen zerwickelten Turban, und schlug elegant gestikulierend einen Kreis Zuhörer in den Bann.
    »Hört zu, meine Herren!« befahl er, und die Leute wichen vor Schreck zurück. Mit wundervollen Augen, aus denen die Nacht mit ihren Sternen nicht weichen wollte, nahm er das Publikum in Augenschein, bevor er fortfuhr. Er war ein Riese von einem Mann, die Falten seiner eleganten Kleidung bildeten eine Skulptur, und es war nicht zu sehen, ob er auf einer Seifenkiste stand, einem Sockel. Vor ihm auf der Erde lag aufgerollt sein fliegender Teppich, von einem Stein an Ort und Stelle gehalten; diese Dinger waren

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